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Karriere

»Auch Arbeitszeit ist Lebenszeit«

Catharina Bruns im Interview über »Work is not a job«

© Sophie Pester

»Work is not a job«: Was bedeutet diese Formel?

Catharina Bruns: Wenn Menschen von »Arbeit« sprechen, dann meinen die meisten automatisch »Erwerbsarbeit«. Wir leben in einer Zeit, in der uns der »Job« definiert – was aber, wenn er uns falsch definiert? »work is not a job« ist mein persönlicher Deal mit der Arbeit. Ich bin der Meinung, dass die eigene Arbeit vor allem ein kraftvolles Gestaltungsmittel ist – für ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben, aber auch, um die Gesellschaft positiv zu gestalten. Ein »Job« reduziert uns auf das Konzept fremdbestimmter Arbeitsleistung gegen Geld. Unsere wahre Arbeit liegt meist woanders.

 

Sie halten nichts von Work-Life-Balance. Was genau spricht denn gegen eine Ausgewogenheit von Job und Freizeit?

Catharina Bruns: Dagegen spricht überhaupt nichts. Nur sagt ja schon der Begriff »Work-Life-Balance«, dass wir immer entweder auf der einen oder auf der anderen Seite stehen sollen. Aber das eine ist wichtiger Teil des anderen – auch Arbeitszeit ist Lebenszeit. Ich bin überzeugt: Erst wenn wir eine Harmonie zwischen Arbeit und Leben hergestellt haben, können wir sowohl zufrieden sein als auch beherzt an Dingen arbeiten, die uns wirklich etwas bedeuten. Wer gefunden hat, was ihn bewegt, braucht keinen Urlaub von seinem Leben.

 

Warum trennen denn die Menschen Arbeit und Leben überhaupt voneinander?

Catharina Bruns: Das machen Menschen, die sich in ihrer Arbeit nicht wiederfinden und offensichtlich keinen Wunsch verspüren, ihr Leben zu gestalten. Aber der Balanceakt zwischen ödem Job und tollem Wochenende verbraucht oft mehr Energie als ein Leben, in dem man sich die richtige Arbeit gestaltet. Es gibt auch Arbeit, die lebendiger macht. Und zwar nicht nur uns selbst, sondern auch die Gesellschaft.

 

Was entgegnen Sie denen, die sagen, »Work is not a job« sei nur etwas für Privilegierte?

Catharina Bruns: Wer so etwas sagt, entlarvt sich selbst. Das sind für mich Leute, die zwar an Geld, Status oder Ausnahmen glauben, nicht aber an den Menschen. Ich habe mir die Privilegien meines Lebens auch selbst erarbeitet – ich hatte keinen Sponsor oder reiche Eltern, außergewöhnliche Qualifikationen oder sonst etwas. Mit Geld hat meine Überzeugung ohnehin nichts zu tun. Es hat einzig damit zu tun, Verantwortung für sein Talent und letztlich für sein Leben zu übernehmen und sie nicht an Politik oder Arbeitgeber abzugeben. Wenn wir darauf verzichten, uns zu verwirklichen, dann verwirklichen wir leider irgendetwas anderes – wir helfen also im Zweifel kräftig mit, dass die Gesellschaft sich nicht nach unseren Vorstellungen entwickelt. Aber in welcher Gesellschaft wollen wir leben? Nennen Sie mich eine Idealistin, aber ich glaube nun mal, dass wir alle mithelfen müssen, die Zustände vorzufinden, die wir selbst gerne hätten. Menschen, die sich verwirklichen, sind selten Egoisten. Gerade sie sind es, die auf empfundene Missstände in der Welt reagieren und ihre Arbeit in den Dienst einer höheren Sache stellen. Sie sind Gestalter. – Kann das jeder? Nein, natürlich kann das nicht jeder. Aber jeder, der sich dazu entschließt.

 

Was möchten Sie jenen, die sich auf den Weg machen wollen, mitgeben?

Catharina Bruns: Wer in der eigenen Arbeit mehr als nur einen Job sieht, hat viel mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Ich rate deshalb, idealistisch zu sein und gleichzeitig pragmatisch in der Umsetzung der eigenen Träume. Sich selbstständig zu machen bedeutet auch, sich zuständig zu machen! Wenn wir eine neue Arbeitskultur haben wollen, müssen wir selbst dafür sorgen, dass sie jeden Tag gelebt wird. Ich kann nur sagen, es lohnt sich.

 

 

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26.09.2013

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