Volker Kitz und Manuel Tusch beschreiben in ihrem bezaubernden Buch »Warum uns das Denken nicht in den Kopf will« ein Phänomen, das mir nicht mehr aus dem Kopf gehen will: Bei einer Herausforderung, von der wir annehmen, sie einfach bewältigen zu können, sind wir motivierter und damit viel besser, wenn uns jemand dabei zusieht. Das Verblüffende ist: Dies trifft nicht nur bei Menschen zu.
Es geht den Menschen wie den Kakerlaken
Wie ein speziell für die Wissenschaft inszeniertes Kakerlakenwettrennen belegt, laufen selbst Kakerlaken schneller, wenn sie von anderen Kakerlaken, die neben der Rennstrecke in »Logen« sitzen, beobachtet werden.
Dieses Phänomen nennt sich »Effekt der sozialen Erleichterung«. Deshalb hören wir in einem Trainingskurs in einem Fitnessstudio auch nicht nach zehn Minuten auf, obwohl wir weder Lust noch Energie haben. Selbst wenn es um so einfache Tätigkeiten wie Schuhe aus- und anziehen geht, sind wir unter kritischer Beobachtung typo3/um etwa 30 Prozent schneller, als wenn wir uns unbeobachtet fühlen. Das trifft sogar zu, wenn sich eine im Raum aufhaltende Person gar nicht für uns interessiert.
Beobachten Sie sich mal. Ich kann zum Beispiel in einem Raum mit anderen Menschen, wenn es sein muss, in Nullkommanix meine Kontaktlinsen einsetzen. Alleine in meinem Badezimmer gestaltet sich dies öfter eher schwierig. Rückblickend habe ich auch für mein Studium immer am besten gelernt, wenn ich in einer riesigen Bibliothek mit anderen Studenten saß, die ebenfalls alle konzentriert arbeiteten.
Wir können uns diese Tatsache auch zunutze machen. Am besten sorgen Sie dafür, dass Ihnen beim Sortieren der Ablage immer jemand zusieht, oder noch einfacher: Stellen Sie sich vor, dass Ihr Chef oder Ihre Chefin neben Ihnen sitzt, während Sie die nächste langweilige Powerpoint-Präsentation erstellen. Ihrer Fantasie sind auch hier keine Grenzen gesetzt.
Ein Effekt, der nicht immer funktioniert
Doch Achtung! Der Effekt dreht sich bei sehr anspruchsvollen Aufgaben, bei denen wir in Stress geraten oder Angst verspüren, ins Negative um. Dies erklärt auch, warum wir früher, etwa beim Vorrechnen einer Matheaufgabe an der Tafel, meist nicht mit besonderen Schnellrechenfähigkeiten glänzten. Ein kleiner Trost: Den Kakerlaken geht es auch nicht anders als den Menschen. Auch sie scheitern an der Durchquerung eines schwierigen Labyrinths unter den Argusaugen ihrer krabbelnden Zuschauer.
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