Unsere Welt ist von Erwartungen geprägt, die gerade Karrierefrauen mit oder ohne Kinder oft unter Druck setzen. Was hat sie dazu bewogen, mit einem Buch mit dem Titel »Perfektion ist Quatsch« zu reagieren?
Büttner/v. Loewenfeld: In »Perfektion ist Quatsch« nehmen wir die Leser:innen mit auf eine Reise jenseits des Perfektionismus. Wir möchten mit unserem Buch einen Impuls für mehr Authentizität und Selbstbestimmung geben. Unsere Welt ist oft von unrealistischen Erwartungen geprägt – auch durch den Einfluss der sozialen Medien. Hochglanz-Instagram-Feeds und vermeintlich makellose Erfolgsstorys inspirieren uns täglich aber setzen uns oft unbewusst unter Perfektionsdruck.
Mit unseren eigenen Erfahrungen und internationalen Karrieren zeigen wir, dass wahre Erfüllung nicht in einer perfekten Fassade liegt, sondern in der Akzeptanz der eigenen Unvollkommenheit. Die Vorstellung, in allen Lebensbereichen gleichzeitig und gleichermaßen perfekt zu sein, ist unerreichbar und führt zu Stress. Stattdessen möchten wir Frauen ermutigen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen und ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen, sei es hinsichtlich der Karriere, als Mutter oder in anderen Rollen.
Durch die Geschichten, die wir erzählen, und die inspirierenden Frauen, die wir interviewt haben, möchten wir Frauen ermutigen, ihren eigenen Weg zu gehen und die Chancen unserer Zeit zu ergreifen, um ein Leben zu führen, das ihren eigenen Vorstellungen und Zielen entspricht.
Teilzeit arbeiten und mehr Zeit für die Kinder haben, Karriere machen und die Kinder häufiger betreuen lassen oder erst gar keine Kinder bekommen…junge Frauen haben heute mehr Wahlfreiheit als je zuvor. Was raten Sie jungen Frauen, die überfordert von all diesen möglichen Lebenswegen sind?
Büttner/v. Loewenfeld: Unser Rat an junge Frauen ist, sich auf ihre eigenen Wünsche zu konzentrieren, anstatt den Erwartungen anderer gerecht werden zu wollen. Es ist wichtig, sich die Zeit zu nehmen, um herauszufinden, was wirklich zählt – sei es Karriere, Familie oder eine ausgewogene Mischung aus beidem. Es gibt keinen »richtigen« Weg, und es ist völlig in Ordnung, Entscheidungen im Laufe des Lebens anzupassen, da sich Lebensphasen und Prioritäten ändern können.
Viele junge Frauen glauben jedoch, dass es fast unmöglich ist, Karriere, Familie und persönliche Gesundheit miteinander zu vereinbaren. Hier möchten wir motivieren, dran zu bleiben und eine Karriere nicht vorschnell aufzugeben und sich finanziell abhängig zu machen.
Mit einer positiven Einstellung, etwas Organisation und Disziplin ist es machbar. Vertraut darauf, dass ihr es schaffen könnt! Indem ihr den Anspruch auf Perfektion reduziert, könnt ihr viel erreichen. In unserem Buch teilen wir Tipps und Tricks, die diesen Weg erleichtern können.
Frau Büttner, Sie konnten in den letzten Jahrzehnten am eigenen Leib erleben, was sich für Frauen verändert hat, schließlich waren Sie eine der wenigen so genannten Karrierefrauen. Würden Sie sagen, dass Vereinbarkeit für Frauen leichter geworden ist oder ist das ein Trugschluss?
Regine Büttner: Ja, in den letzten Jahrzehnten hat sich in Deutschland in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf, Karriere vieles positiv verändert – das ist kein Trugschluss. Es gibt heute mehr Bewusstsein und Unterstützung für Frauen, die berufstätig sind. Flexible Arbeitszeitmodelle, Homeoffice-Möglichkeiten und Elternzeit für beide Geschlechter sind mittlerweile etablierte Konzepte, die Frauen helfen, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Außerdem hat sich das gesellschaftliche Verständnis für die Belastungen, denen Frauen ausgesetzt sind, verbessert, sodass insbesondere frauentypische Herausforderungen am Arbeitsplatz zunehmend thematisiert werden. Die Veränderungen gehen mir allerdings nicht schnell genug, z B. Hätte ich mir zu Beginn meiner Karriere in den späten 70er Jahren, nicht vorstellen können, dass Frauen in 2024 noch immer ähnliche Herausforderungen haben, wie ich als junge Frau.
Es gilt also weiterhin die Unterstützungssysteme auszubauen, Frauen sichtbar zu machen und sie zu motivieren, eine berufliche Karriere einzuschlagen – das ist eine Aufgabe für die Politik, Unternehmen und auch jede einzelne Frau selbst. Deswegen habe ich auch nach meiner beruflichen Laufbahn noch einmal – gemeinsam mit meiner Tochter Miriam- die Initiative Woman360 ins Leben gerufen, um mich für Frauen in Politik und Wirtschaft einzusetzen und persönlich zu coachen und beraten.
Das Buch steht nicht nur für eine authentische Karriere, sondern auch für eine generationenübergreifende Zusammenarbeit. Was kann die eine von der anderen lernen?
Büttner/v. Loewenfeld: Heute arbeiten mehr Generationen in einem Unternehmen zusammen als je zuvor. Gleichzeitig fordert die Digitalisierung neue Job- und besonders Leadershipskills. Hier können alle Generationen voneinander profitieren.
Die älteren Generationen können von jüngeren lernen, wie sie neue Technologien und moderne Arbeitsmethoden effektiv einsetzen, während die jüngere Generation von der Erfahrung und dem Wissen der Älteren profitieren kann. Durch den Austausch von Ideen und Perspektiven können beide Seiten innovative Lösungen entwickeln und voneinander lernen, wie sie in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt erfolgreich bleiben können. Die Verbindung von Tradition und Innovation stärkt so die berufliche Entwicklung und führt zu nachhaltigen Karrieren.
Als Mutter-Tochter-Duo, die gemeinsam ein Unternehmen gegründet haben, erleben wir diesen Generationenunterschied und auch die Symbiose-Effekte daraus tagtäglich.
Sie haben das Buch nicht nur im Duo geschrieben, sondern sich ein paar Mitstreiterinnen eingeladen. Wenn haben Sie mit ins Boot genommen und wofür stehen die anderen »Wonder-Women« wie Lena Gerke, Malu Dreyer oder Annahita Esmailzadeh?
Büttner/v. Loewenfeld: Wir finden, dass es in Deutschland noch zu wenige weibliche Vorbilder gibt, die es geschafft haben, Familie und Karriere zu vereinbaren. Role Models sind aber gerade für Frauen essenziell, da sie als Inspirationsquelle dienen. Sie zeigen, dass es möglich ist, trotz Herausforderungen bestimmte Ziele zu erreichen und ermutigen Frauen, ihren eigenen Weg zu gehen.
Unser Buch enthält inspirierende Interviews mit bemerkenswerten Frauen wie Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung, die uns einen Einblick gegeben hat, wie in Schweden Chancengleichheit funktioniert. Malu Dreyer und Verena Hubertz, beides beeindruckende Politikerinnen aus zwei Generationen, gaben uns Einblicke in ihr Leben und ihre politische Arbeit. Annahita Esmailzadeh, eine der reichweitenstärksten LinkedIn Influencerinnen sprach mit uns über Unconcious Bias. Judith Williams, Leonie Hanne und Charlotte de Brabandt zeigten uns wie wichtig es ist, sich reinzuhängen, eine positive Einstellung zu bewahren und sich in die Sichtbarkeit zu trauen. Melanie Kreis, Lea Sophie Cramer & Lia Grünhage, Lena Gercke und Sylvie Meis haben wir für unterschiedliche Lebensbereiche interviewt – sie alle zeigen uns, wie sie Vereinbarkeit meistern und welche Herausforderungen sie erlebt haben.
Diese Frauen teilen ihre Herausforderungen und Erfolge und zeigen, dass es möglich ist, die eigenen Ziele zu verfolgen. Wir wollten diese bekannten Frauen auf eine andere Weise porträtieren, damit sie durch ihre persönlichen Geschichten andere Frauen ermutigen und motivieren.
Wer soll ihr Buch unbedingt lesen?
Büttner/v. Loewenfeld: Das Besondere an unserem Buch ist sein generationsübergreifender Ansatz. Als Mutter-Tochter-Duo haben wir es gemeinsam verfasst, um eine breite Leserschaft anzusprechen. Es richtet sich an alle Frauen, die mehr aus ihrem Leben machen möchten, sich jedoch in der Falle des Perfektionismus verfangen haben und versuchen, es allen recht zu machen – dabei aber oft ihre eigenen Ziele aus den Augen verlieren. Besonders interessant ist unser Buch für:
- Mütter mit Kindern
- Junge Frauen, die Karriere und Familie vereinbaren möchten
- Ambitionierte Frauen, sowohl Angestellte in Unternehmen, als auch Gründerinnen
- Frauen im Alter von ca. 25 Jahren – unendlich
- Männer, die Frauen fördern und fordern möchten – sowohl im Unternehmen aber auch in ihrer familiären Rolle, bei Care-Arbeit und Co.
Regine Büttner bringt eine beeindruckende Karriere mit sich. Als eines von sechs Kindern lernte sie früh, sich durchzusetzen und unabhängig zu sein. Sie erreichte fast eine Vorstandsposition in einem DAX-Konzern und war als HR-Chefin bei DHL Express tätig, wo sie für mehr als 100.000 Mitarbeitende in 220 Ländern verantwortlich war. Trotz der Herausforderungen als Mutter schaffte sie es, Karriere und Familie zu balancieren. Vor eineinhalb Jahren gründete sie "Woman 360", eine Initiative zur ganzheitlichen Beratung und Unterstützung von Frauen.
Dr. Miriam von Loewenfeld sammelte nach ihrem BWL-Studium verschiedene Erfahrungen in unterschiedlichen Positionen bei renommierten Marken des Louis Vuitton Moet Hennessy Konzerns (LVMH) wie L'Oréal und Louis Vuitton. Als eine der jüngsten Geschäftsführerinnen bei Sephora in Dubai prägten ihre Erfahrungen in unterschiedlichen Ländern und mit deren Vereinbarkeitsmodellen ihre Sichtweise auf Karriere und Familie. Sie setzt sich dafür ein, dass Frauen selbstbestimmt arbeiten können.