»Mach Dich frei!« – lautet der Titel Ihres neuen Buches über Mentale Modelle. Wovon dürfen wir uns befreien?
Svenja Hofert: Von dem, was wir denken, dass es richtig sei. Wir sind von Inhalten geprägt, die uns aktuell nicht mehr helfen – im Gegenteil. Das ist überall zu sehen in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Arbeitsleben. Ein Beispiel: Die Art, wie wir mit Komplexität umgehen, ist dieser absolut nicht angemessen. Wir gehen davon aus, dass wir diese reduzieren können – was für ein Blödsinn! Wir müssen stattdessen lernen, damit angemessen umzugehen. Da sind viele alte Zöpfe in unseren Köpfen. Weg damit!
Im Buch stellen Sie 100 Mentale Modelle vor, die uns zu klarem Denken und besseren Lösungen führen. Wie kann man sich ein mentales Modell vorstellen?
Svenja Hofert: Stellen Sie sich vor, jemand würde aus dem Mittelalter unsere Welt besuchen. Seine inneren Bilder würden komplett versagen, wenn er ein Handy in die Hand nimmt. Da ist es offensichtlich. Weniger offensichtlich ist es, dass unsere Bilder ebenfalls versagen – da müssen wir gar keine Zukunftsreisen unternehmen.
Wir machen uns Vorstellungen von der Wirklichkeit. Dabei erzeugen wir innere Bilder, eine Art Abziehbild der Wirklichkeit – eben jene mentalen Modelle. Jeder hat eigene, aber sie sind auch durch Gesellschaft, Kultur und Wissenschaft geprägt. Wie unterschiedlich mentale Modelle auf gesellschaftlicher Ebene sind, konnte man sehr deutlich in der Coronazeit sehen. Da betraf es etwa Modelle über »Freiheit« oder »gesellschaftlichen Zusammenhalt«. Vielen war aber eines gemeinsam: Der Anspruch auf Wahrheit. Und den kann unter Komplexität niemand erheben.
Der Umgang mit Kompliziertheit gelingt uns oft nicht, Wir schaffen es nicht, unterschiedliches Wissen gemeinsam fruchtbar zu machen. Dafür braucht es neue mentale Modelle, die vom Schwarzweißdenken lösen.
Mentale Modelle beinhalten auch kleine Skripte zum Umgang: Beim mentalen Modell zum Thema Feuerlöschen werden wir uns vermutlich schnell einig – aber wie sieht es bei mentalen Modellen über die Bewältigung der Klimakrise oder des Bildungsnotstands aus? Ich bin überzeugt: mentale Modelle müssen sich maximal vom Inhalt lösen. Es geht nicht mehr darum, was richtig ist, sondern darum wie wir kreative Gedanken erzeugen. Das ist innere Freiheit.
Unser Denken passt sich nicht automatisch an Gegenwart oder gar Zukunft an und so blicken wir teilweise mit veralteten Denkmustern auf die Gegenwart oder planen mit ihnen die Zukunft. Wie kommt man sich am besten auf die Schliche? Wie analysiert man das eigene Denken kritisch?
Svenja Hofert: Schauen Sie sich mal spaßeshalber bei Youtube das Video an, indem Steve Ballmer von Microsoft lauthals über das iPhone lacht. Sie werden es lustig finden, denn es sind Jahre vergangen. Aber auch heute lachen wir über Entwicklungen oder halten Dinge nicht für möglich. Das passiert uns allen. Und hier gibt es nur eins: Wir brauchen Demut. Demut vor allem, was wir noch nicht wissen.
Wir erwarten immer, dass Zukunft eine Fortschreibung der Gegenwart ist. Das stimmt aber nicht. Zukunft ist da, wo wir sie erkennen wollen, wo Lösungen noch nicht gefunden oder verdeckt sind. Sich das immer wieder vor Augen zu halten, hilft.
Für wen haben Sie Ihr Buch geschrieben?
Svenja Hofert: Es ist für alle, die einen Beitrag zu einer lebenswerten Zukunft leisten möchten. Das können Führungskräfte sein, auch Führungskräfte in eigener Sache, ohne Mandat also. Menschen, die sich selbst führen wollen. Es ist für Mutige, die demütig genug sind, die eigene Welt nicht für den Nabel der Welt zu halten.
Würden Sie uns eins Ihrer Mentalen Modelle verraten, das man direkt anwenden kann?
Svenja Hofert: Egal, was du denkst: Geh davon aus, dass es nur ein inneres Bild ist. Es ist eine Arbeitshypothese. Such nicht nach Gründen, das Bild immer wieder zu kopieren, sondern es zu verändern.
Vielen Dank für das Gespräch!
Svenja Hofert beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit der Zukunft der Arbeit. Sie ist Nextlevelcoach, Ausbilderin, Keynote Speakerin sowie Autorin von mehr als 25 Wirtschaftsbüchern und spezialisiert auf mentale Modelle für die Transformation des Denkens.
Sie möchten das Interview weiterverwenden? Wenden Sie sich bitte an: schellhase@campus.de (Nina Schellhase)