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Wirtschaft und Gesellschaft

Das Billigwaren-Image »Made in China« stimmt nicht mehr.«

Wolfgang Hirn über die Technologiemacht China und ihre ambitionierten Pläne auf dem europäischen Markt.

Chinas Bosse, die Protagonisten ihres neuen Buches sind im Westen unbekannte Wesen. Warum ist es höchste es Zeit, sich ihre Namen zu merken? 

Wolfgang Hirn: Weil sie auf unsere Märkte im Westen drängen. Sie werden hier Unternehmen kaufen oder sich an ihnen beteiligen. Oder sie wollen hier einfach ihre Produkte verkaufen. Und das werden nicht mehr nur Billigwaren sein. Dieses Image, das noch vielen Produkten Made in China anhaftet, stimmt nicht mehr. Es erinnert mich an die 60er Jahre, als die Japaner nach Deutschland kamen, und keiner nahm sie ernst. In den 80er Jahren unterschätzten wir die Koreaner. Heute sind Sony und Samsung weltbekannte, erfolgreiche Marken. Solche werden auch die Chinesen kreieren.

 

China ist die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt und 115 der 500 größten Unternehmen der Welt haben heute ihren Sitz in China. Was bedeutet das für Deutschland und Europa?

Wolfgang Hirn: Chinas Unternehmen werden immer größer und effizienter. Lange Zeit haben sie »nur« ihren riesigen Heimatmarkt bedient, doch nun gehen sie verstärkt ins Ausland und werden damit zu Konkurrenten deutscher und europäischer Firmen. Das ist im Zuge der Globalisierung eine ganz normale Entwicklung. Allerdings wird dies viele Branchen erschüttern. Beispiel Bahnindustrie. Da ist der chinesische Staatskonzern CRRC schon heute weltweit führend. In Europa müssen wir auf solche Giganten mit der Bildung europäischer Champions reagieren. Deshalb war die Fusion der Bahnsparten von Alstom und Siemens richtig.

 

Manager in China führen anders als die im Westen. Welche Konsequenzen hat es, wenn ein hiesiges Unternehmen eine chinesische Führung bekommt?

Wolfgang Hirn: Chinesen bauen hier Arbeitsplätze ab, transferieren wertvolles Knowhow nach China, und setzen nur ihre Manager an die Spitze – das sind die weitläufigen Vorurteile über chinesische Aufkäufer von deutschen oder europäischen Unternehmen. Die Realität sieht freilich anders aus. Nachdem die Chinesen die Mehrheit an einer Firma hierzulande übernommen haben, lassen sie meist das alte Management im Amt, geben Beschäftigungsgarantien und investieren sogar in Forschung und Entwicklung. Bestes Beispiel: Die Übernahme von Volvo durch den chinesischen Autokonzern Geely. Eine gelungene Übernahme: Beide Unternehmen stehen besser da denn je.

 

Aus der einstigen Fabrik der Welt ist das Labor der Welt geworden. China ist Trendsetter in der Fintech-Industrie. Was können wir von China lernen?

Wolfgang Hirn: China will eine Technologiemacht werden. Diese Strategie verfolgt die chinesische Regierung in aller Deutlichkeit und mit viel, viel Geld. Sie hat mehrere Schlüsseltechnologien definiert, in denen sie in den nächsten Jahren den Westen einholen und möglichst auch überholen will. In der mobilen Online-Welt ist China mit seinen Giganten Alibaba und Tencent schon heute führend. Kaum jemand zahlt mehr cash. China wird die erste bargeldlose Gesellschaft der Welt sein. Bei den Elektroautos will China uns überholen - mit fatalen Folgen für die deutsche Autoindustrie. Im Bereich Künstliche Intelligenz ist China fast auf Augenhöhe mit den USA. Europa hinkt da hinterher. Das sind alles Ergebnisse einer stringenten Industrie- und Technologiepolitik Chinas. Wenn wir in Europa – und es geht nur im europäischen Rahmen - da mithalten wollen, müssen wir ebenfalls eine Technologiepolitik betreiben.

 

Superreiche aus China kaufen Fußballvereine, Weinberge, Luxusvillen in Europa. Gibt Ihnen das Grund zur Sorge?

Wolfgang Hirn: Nein, das ist per se kein Grund zur Sorge. Wenn chinesische Milliardäre – wie auch russische Oligarchen und arabische Scheichs – im Fußballgeschäft Millionen verbrennen wollen, sollen sie es tun. Nach Deutschland werden sie nicht kommen, weil sie dort nicht die Mehrheit an einem Verein übernehmen können. Und wenn sie Weingüter in Frankreich – und dort vor allem im Bordelais – kaufen, ist es oft die Rettung für diese, weil sie sonst dichtmachen müssten. Allerdings von einem Ausverkauf eines französischen Kulturguts zu reden oder zu schreiben, ist übertrieben. Etwas anders sieht es auf den Immobilienmärkten in Europa aus. Dort treten immer mehr Chinesen als Käufer auf und verstärken damit die Preisexplosion für Wohnungen und Häuser. Gut für Verkäufer, schlecht für Mitbieter und Mieter.

 

Wolfgang Hirn studierte Volkswirtschaftslehre und Politische Wissenschaften in Tübingen. Nach Stationen als Wirtschaftsredakteur arbeitet er seit vielen Jahren als Reporter beim manager magazin. Seit 1986 reist er regelmäßig nach China, ist Autor des Bestsellers »Herausforderung China« (2005) und veröffentlichte zuletzt »Der nächste kalte Krieg. China gegen den Westen« (2013).wolfganghirn.de

27.02.2018

Wirtschaft & Gesellschaft

Chinas Bosse
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