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Wissenschaft

»Das griechische Drama: Ein Erfolg für Europa!«

War der 13. Juli ein schwarzer Tag für Europa? Ist Wolfgang Schäuble dabei, die europäische Idee zu zerstören? Wer sich die Geschichte der EU etwas genauer anschaut, wird rasch feststellen, dass genau das Gegenteil der Fall ist. Ein Gastbeitrag von Wilfried Loth.

Der Euro wurde eingeführt, um die wirtschaftliche Integration der Mitgliedsländer zu vertiefen und ihre Wirtschaft von den erratischen Kursschwankungen des US-Dollars und den Launen der amerikanischen Haushaltspolitik unabhängiger zu machen. Das hat auch ganz gut funktioniert – so gut, dass nur noch ideologisch verbohrte Minderheiten einer Preisgabe der Gemeinschaftswährung das Wort reden. Als 2010 deutlich wurde, dass die Währungsunion nicht über genügend Instrumente verfügte, um eine größere Finanzkrise in den Griff zu bekommen, wurde sukzessive nachgebessert: mit Kredithilfen der EFSF, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, dem Fiskalvertrag und der Bankenunion.  Auch das hat im Wesentlichen funktioniert. Die Gefahr eines finanziellen Flächenbrands konnte gebannt werden; Irland, Portugal und Spanien kehrten nach schmerzhaften Reformen auf den Wachstumspfad zurück.

Nur im Fall von Griechenland liefen die Dinge aus dem Ruder. Hier war der Reformbedarf so groß, dass eine Mehrheit der Bevölkerung die Belastungen, die daraus resultierten, schließlich nicht mehr tragen wollte. Die europäischen Geldgeber konzentrierten sich zu stark auf die Rückkehr zu einem ausgeglichenen Haushalt und unterschätzten dabei den Aufwand, der für strukturelle Reformen erforderlich war, insbesondere für die Schaffung eines effizienten Steuersystems jenseits des Klientelismus. Die Griechen folgten in ihrer Mehrheit dem Sirenengesang einer Oppositionspartei, die sie glauben machte, dass Unterstützung durch die anderen Euro-Länder auch ohne eigenen Verzicht zu haben sei. Beides zusammen genommen ließ die Schulden weit über die Belastbarkeit hinaus anwachsen.

Dass die Hoffnung auf weitere Hilfen ohne weitere Opfer nicht in Erfüllung gehen würde, war abzusehen. Umso bemerkenswerter ist, dass eine breite Mehrheit des griechischen Parlaments und offensichtlich auch der griechischen Bevölkerung nach dem verlorenen Nervenkrieg eher bereit ist, schmerzhafte Reformen zu akzeptieren als eine Staatspleite zu riskieren, die sie zur Einführung einer Ersatzwährung zwingt. Es zeigt, dass die Griechen ihre Zukunft nach wie vor eher in Europa sehen als in einem nationalen Sonderweg mit höchst ungewissem Ausgang.

Natürlich kann niemand garantieren, dass der Reformwille der Griechen ausreichen wird, um die Staatspleite tatsächlich abzuwenden. Insofern gehen die Geldgeber das Risiko ein, noch mehr Kredite an Griechenland abschreiben zu müssen als bei einem »Grexit« zum jetzigen Zeitpunkt unausweichlich gewesen wäre. Dass sie es tun, macht deutlich, dass auch sie davon überzeugt sind, dass der europäische Weg der bessere ist. Damit stärken sie die Europäische Union und machen sie die Gemeinschaftswährung letztlich unangreifbar.

Dass die Entscheidung unter großer öffentlicher Anteilnahme gefallen ist, verbunden mit starken Emotionen und viel Polemik, sollte niemanden verstören: Es belegt, dass sich die Europäer endlich um die Angelegenheiten kümmern, die sie betreffen.  Auch das ist für Europa ein gutes Zeichen. Wer Wolfgang Schäuble jetzt Erpressung vorwirft, verrät nur, dass er selbst kein starkes Europa möchte. Und Yanis Varoufakis demonstriert mit seiner Polemik gegen »Dr. Schäuble«, dass er ein schlechter Verlierer ist.

 

Mehr zur Geschichte des Euro und zu den Ursprüngen des griechischen Dramas in Wilfried Loth, »Europas Einigung. Eine unvollendete Geschichte« im Campus-Verlag.

 

Zum Autor des Gastbeitrags:

Wilfried Loth ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Duisburg-Essen. Als langjähriger Vorsitzender der Historiker-Verbindungsgruppe bei der Europäischen Kommission und Präsident des Deutsch-Französischen Historikerkomitees ist er einer der besten Kenner der Geschichte der europäischen Integration.

 

20.07.2015