Männer um die 40 beschleicht oft ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit. Von welchem Punkt an sollte man definitiv etwas tun?
Susanne Lübben: Der betroffene Mann sollte darüber nachdenken, wie lange dieser Zustand schon anhält. Leiden unter dieser Unzufriedenheit inzwischen auch schon die Partnerschaft, die Kinder oder die Freunde? Dann gilt es dringend, etwas zu unternehmen. Er sollte sich fragen, ob er kurzfristige Lösungsmöglichkeiten für seine Unzufriedenheit hat, echte Perspektiven sieht. Wenn diese nicht zufriedenstellend sind, sollte er nicht weiter die Zähne zusammenzubeißen. Länger anhaltende Unzufriedenheit ist unterschwelliger Stress und hemmt die Fähigkeit, kreative Lösungen zu finden. Damit sich die Situation nicht weiter verschlechtert oder ein Burn-Out droht, sollte er jetzt etwas unternehmen. Ein Coaching oder ein Selbstcoaching kann nun weiterhelfen.
Aus Ihrer Erfahrung wissen Sie, dass Männer oft erst spät zu einem Coaching gehen und sich im Nachhinein sagen, wären sie doch früher… Ist ihr Buch eine Art niedrigschwelliger Zugang zum Thema Midlife-Crisis?
Susanne Lübben: Versteht man Midlife-Crisis als eine krisenhafte Phase in der Mitte des Lebens, in der ein Mann den Sinn seines bisherigen Lebens kritisch überdenkt und in Zweifel zieht, kann mein Buch ihn dabei unterstützen, diese Phase kreativ zu meistern und gestärkt aus ihr hervorzugehen. Wenn er sich nicht sicher ist, ob er ein persönliches Coaching in Anspruch nehmen will, dann findet er in meinem Buch Anregungen und Ideen zu einer konstruktiven Bewältigung der Krise und Methoden, um Klarheit darüber zu gewinnen, wohin er zukünftig will.
Womit beginnt »Mann« am besten, wenn er sich in seinem Berufsleben nicht mehr wohlfühlt?
Susanne Lübben: Am besten beginnt er damit, sich diesen Zustand einzugestehen – anzuerkennen, möglicherweise festgefahren zu sein. Ein Fehler wäre es, jetzt zu resignieren und sich als ein gefesseltes Opfer der Umstände zu sehen. Er hat es selbst in der Hand, etwas zu verändern. Auch, wenn es ihm vielleicht gerade nicht so vorkommt. Dann sollte er nach den Ursachen seiner Unzufriedenheit forschen und die aktuelle Situation so ausführlich und konkret wie möglich beschreiben. In meinem Buch findet der Mann Fragen, die er dazu nutzen kann. Während er sie beantwortet, sollte er auch auf seine Gefühle achten, da diese ihm neben der Situationsbeschreibung konkrete Hinweise liefern, was genau ihn daran unzufrieden macht. Wenn er das getan hat, sollte er überlegen, was so bleiben soll, wie es ist, und was sich ändern sollte. Dann kann er ein motivierendes Ziel entwickeln und die ersten Schritte planen, um sein Ziel zu erreichen. Auch dazu findet er die Anleitung in meinem Buch.
Männer trennen offenbar häufig das rationale vom emotionalen Selbst. Wozu führt das, gerade in der Midlife-Crisis?
Susanne Lübben: Der Mann trennt sein rationales Selbst ja nicht bewusst von seinen Emotionen. Der Zugang zu seinen Gefühlen und echten Bedürfnissen ist jedoch durch jahrelang geübte Vermeidungsmechanismen, die seiner Rolle als Mann entsprechen, sehr eng geworden. In seinem Unbewussten wirken diese Gefühle jedoch weiter. Die Neurowissenschaft weiß inzwischen, dass es keine rein rationalen Entscheidungen gibt. Die emotionale Entscheidung erfolgt blitzschnell, der erst später einsetzende Verstand kann diese Entscheidung dann nur noch rationalisieren. Wenn aber der bewusste Zugang des Mannes zu seinen Gefühlen und seiner Intuition verengt ist, hat der Mann keine Kontrolle über dieses große Potenzial.
Das geht so lange gut, bis sich eine Krise anbahnt oder eintritt. Dann kann der Mann vielleicht noch eine Weile an seinen gefühlsabwehrenden Verhaltensweisen festhalten, um sein Selbstbild nicht zu gefährden und sich nicht hilflos zu fühlen. Der Preis dafür ist jedoch eine stetige Wiederholung des Gewesenen. Bisher bewährte Muster und Lösungen funktionieren immer weniger, häufig kommt es dann zu psychosomatischen Beschwerden aller Art – bis hin zu einer Depression. Eine unbekannte neue Situation erfordert neue Verhaltensweisen. Dafür reicht jedoch der Verstand allein nicht aus.
Umgekehrt: Was passiert, wenn sich Männer auch ihrem emotionalen Selbst widmen?
Susanne Lübben: Wichtig dabei ist das Wort »auch«. Wenn ich in meinem Buch beschreibe, dass der Mann seinen Zugang zu den eigenen Emotionen verbessern sollte, meine ich damit, diese beiden Teile ins Gleichgewicht zu bringen. Es gilt, sich auf die Suche zu machen nach neuen, zusätzlichen Möglichkeiten. Wenn Sie einen Nagel haben, ist ein Hammer super. Bei einer Schraube ist er schon nicht mehr wirkungsvoll. Die gefühlsabwehrenden Mechanismen haben auch lebenserhaltende Funktionen. Die eigenen Gefühle jedoch geben richtungsweisende Impulse. Es ist sinnvoll, diese wahrnehmen zu können und ins eigene Selbst zu integrieren. Nur dann ist persönliche Weiterentwicklung und echte Autonomie möglich. Die Wahrnehmung des eigenen inneren Reichtums, der inneren Lebendigkeit eröffnet die Chance auf ein glücklicheres und widerspruchsfreieres Leben. Erst, wenn der Mann sein ganzes Potenzial kennt, kann er aus dem Vollen schöpfen.
Zur Autorin
Susanne Lübben arbeitet seit vielen Jahren als zertifizierte Karriere-Coach und Business-Trainerin. Männer um die 40 gehören seit Jahren zu ihren häufigsten Klienten.