Unsere Welt entwickelt sich in Echtzeit zum sprichwörtlichen globalen Dorf. Die Folgen sind vielfältig. Klar ist: Wir begegnen zunehmend Menschen, Situationen, Kulturen und Verhaltensmustern, die uns fremd sind. Haben wir dafür schon einen guten Umgang gefunden?
Klaus Doppler: Nein, haben wir noch nicht. Wir bewegen uns eher in die entgegengesetzte Richtung.
Ihr Buch heißt »Die Logik der Anderen«. Worin liegt die Logik? Was kann man sich darunter vorstellen?
Klaus Doppler: Jeder sucht oder errichtet sich eine Welt, mit der er vertraut ist, in der er sich auskennt, in der er sich wohlfühlt – ob als Kind oder als Erwachsener, ob reich oder arm, ob wohlbehütet in einer Familie oder als Mitglied einer kriminellen Gang. Logisch ist, was in die eigene Welt passt, was man versteht, was klar ist, was man als normal betrachtet und was deshalb auch keine Überraschungen bereitet.
Sie haben ihr Buch mit einem Luyanda Mpahlwa geschrieben, ein langjähriger Projektpartner, den Sie seit langem einen Freund nennen. Gemeinsam haben sie in Südafrika soziale Projekte realisiert. Gab es in der Verständigung mit dem jeweils anderen anfangs Hürden?
Klaus Doppler: Luyanda hat ein anderes Zeitgefühl als ich. Im Gegensatz zu mir geht es ihm nicht darum, alles pünktlich wie vereinbart zu erledigen. Vorrang hat für ihn vielmehr, darauf zu achten, ob wirklich alle Betroffenen berücksichtigt, verstanden und einbezogen sind. Konflikte müssen aus seiner Sicht zuerst gelöst, Spannungsfelder ausgetragen werden. Das geplante Vorgehen muss dann entsprechend angepasst werden. Ich habe aus seinem Vorgehen viel gelernt.
Wie in einem Change-Prozess kann man viele Dinge technisch oder organisatorisch planen und vorbereiten. Die emotionale Komponente kommt darin jedoch oft zu kurz. Ist das auch in der Auseinandersetzung mit »dem Anderen« so?
Klaus Doppler: Die emotionale Dimension ist ein ganz zentrales Element. Menschen sehnen sich nach Klarheit und Sicherheit. Sie suchen nach einem Ordnungssystem, in das sie alles, was um sie herum passiert, einfügen können, und zwar so, dass es für sie einen Sinn ergibt. Sie wollen sich auch gerne anderen Menschen, Gruppen und Organisationen anschließen, aber nur solchen, die zu ihnen passen. Genau diese psychologischen, emotionalen Grundfesten geraten ins Wanken, wenn die eigene Logik nicht mehr die einzig wahre und gültige ist. Wenn es gleichsam verschiedene gültige Wahrheiten gibt. Deshalb auch der Kampf um die eigene Logik. Albert Einsteins Bemerkung über Vorurteile – »Es ist leichter, ein Atom zu spalten, als ein Vorurteil« – gilt auch im Hinblick auf die Logik. Gelingt es nicht, unterschiedliche Logiken als gleichberechtigt zu akzeptieren – was nicht bedeutet, dass wir inhaltlich alles anerkennen und für gut befinden müssen –, stehen wir auf Dauer vor massiven Problemen im Zusammenleben. Und diese Schwierigkeiten werden mit steigender Vielfalt zunehmen.
Was raten Sie jemandem, der sich vor Veränderung fürchtet und dem Andersartigkeit eher Sorge als Freude bereitet?
Klaus Doppler: Ich erinnere ihn an seine Kindheit. Kinder sind neugierig, erkunden alles, was für sie erreichbar ist, um dann zu entscheiden, was sie mit ihren Entdeckungen anfangen. Andersheit muss keine Freude bereiten. Aber entscheidend ist, auf Erkundung zu gehen. Erst dann kann ich entscheiden, wie ich mich gegenüber Andersheiten verhalten soll.
Wo sehen Sie den größten Handlungsbedarf. Bei jedem einzelnen, oder ist ihr Buch auch ein Versuch, die Ebene der Entscheidungsträger oder politischen Repräsentanten anzusprechen, um eine aktivere Verständigung in Gang zu setzen?
Klaus Doppler: Verantwortlich sind alle. Wir sind nicht nur verantwortlich für das, was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun. Statt die Verantwortung nur oben sehen und erwarten, dass »die Oben« von sich aus ihr Verhalten ändern, sich selbst aus der Opferrolle lösen, die Verantwortung auch bei sich selbst sehen, die Initiative ergreifen, Verbündete suchen und das Heft in die eigene Hand nehmen. Das persönliche Verhalten so verändern, dass »die Oben« nicht ohne Weiteres weitermachen können wie bisher. Macht ist grundsätzlich auf Mitspieler angewiesen. Ohne Akzeptanz der Adressaten gibt es auf Dauer keine Macht. Mächtige kalkulieren aber immer – und das meist mit Erfolg – mit der Bereitschaft zur Selbstentwertung und Selbstunterwerfung der Machtlosen und Unterprivilegierten. Und dem kann abgeholfen werden.
Was wünschen Sie dem »globalen Dorf« für die Zukunft?
Klaus Doppler: Statt verzagen, statt sich über die »chaotischen« Zustände aufregen, statt hoffen, dass irgendjemand irgendwann die Dinge in die Hand nimmt, selbst handeln. Für Veränderungen offen sein und akzeptieren, dass unterschiedliche Kulturkreise anders denken und anders handeln, als man es gewohnt ist. Die Fähigkeit und Bereitschaft, die eigene Gedanken- und Erfahrungswelt zu verlassen, sich auf unvertrautes und unsicheres Gelände begeben und unterschiedliche Welten miteinander verknüpfen. Den Mut aufbringen, es nicht bei theoretischen Auseinandersetzungen und der Formulierung wünschenswerter Leitbilder belassen, sondern tatsächlich handeln: sich intensiv mit anderen Sichtweisen, Interessen, Deutungshoheiten und Logiken auseinandersetzen. Wir sind mitten im Geschehen und können auf dem Weg zur Zukunftsfähigkeit einer Entscheidung nicht ausweichen.
Klaus Doppler ist Psychologe und Organisationsberater. Er ist der führende Experte auf dem Gebiet des Change-Managements und Autor des Standardwerks zum Thema. Gemeinsam mit Freunden gründete er den Verein Themba Labantu, der sich für die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in den Townships von Südafrika einsetzt.
Luyanda Mpahlwa ist Architekt und Stadtplaner aus Kapstadt. 1981 wurde Luyanda Mpahlwa im Gefängnis von Robben Island inhaftiert wegen seines Kampfes gegen die Apartheid. Nach 5 Jahren Haft ging er ins Exil nach Deutschland und lebte 15 Jahre in Berlin. Zu seinen Bauten gehören die Nordischen Botschaften und die Botschaft von Südafrika in Berlin.