In Ihrem neuen Buch »Ölbeben« zeigen Sie, dass während wir hier über den Klimawandel diskutieren, führt Trump die größte Volkswirtschaft der Welt in ein neues Ölzeitalter und schafft schmutzige Tatsachen. Die Folgen sind global. Was heißt das genau?
Heike Buchter: Wie kein Präsident vor ihm treibt Trump die Erschließung nicht nur von Öl, sondern auch von Erdgas und selbst Kohle voran. Regulierungen werden gelockert oder gleich ganz aufgehoben. Ganze Landstriche verwandeln sich in Industriebrachen. Das hat die USA inzwischen wieder zum größten Erdölproduzenten der Welt gemacht – vor Saudi Arabien und Russland. Gleichzeitig bedeutet dies aber eine Abkehr von den Klimazielen. Wenn die USA weiter in diese Richtung geht – und danach sieht es aus – dann wird eine Erwärmung über die 1,5 Grad-Grenze hinaus, die von Wissenschaftlern als gerade noch verkraftbar angesehen wird, nicht aufzuhalten sein. Somit hat das Ölbeben in den USA Auswirkungen rund um den Globus.
Amerika hat den Kampf um den Öl-Thron hat Amerika für sich entschieden und geht ohne Rücksicht auf alte Bündnisse seinen Weg. Wird sich die energiepolitische Lage in der Welt dadurch komplett verändern?
Heike Buchter: Donald Trump und seine Regierung wollen den neu gefundenen Energiereichtum im eigenen Land geopolitisch nutzen. Ganz offen spricht man in Washington von Energiedominanz.In einem Strategiepapier des Weißen Hauses ist gar von einem aggressiven Umweltschutz die Rede, den es zu bekämpfen gilt. In dieser Sichtweise werden aus Handelspartnern Konkurrenten und aus Verbündeten Vasallen. Auch die OPEC ist durch die Ölschwemme aus den USA geschwächt. Das wiederum ermöglicht Putin, Russlands Energiereserven ebenfalls als strategische Waffe einzusetzen. Die neuen Energiemachthaber sind Trump, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman und Wladimir Putin.
Was bedeutet die US-Energiedominanz für Deutschland?
Heike Buchter: Lange waren Deutschland und die USA beide auf Energieimporte angewiesen, vornehmlich Öl aus dem Mittleren Osten. Man war in Bonn und später in Berlin vielleicht nicht immer mit allem einverstanden, was in Washington auf der politischen Agenda stand, aber hinsichtlich der Energie waren wir sozusagen auf einem Tanker. So verließ sich Deutschland darauf, dass die USA für die Energiesicherheit ihres Verbündeten sorgte – auch militärisch, wenn es sein musste. Und als Obama dem Klimawandel den Kampf ansagte, da fühlte sich Deutschland in der Entscheidung für die Energiewende bestätigt. Jetzt haben die USA diesen Konsens nicht nur aufgekündigt, sondern versuchen aktiv, Deutschland zum Energievasallen zu machen.
Was bedeutet die Amerikas Vormachtstellung für die Sicherheit?
Heike Buchter: Deutschland hat sich nach dem zweiten Weltkrieg auf die Schutzmacht USA verlassen. Gleichzeitig ist die deutsche Industrie auf das russische Erdgas angewiesen. Das war bereits für die Vorgänger von Donald Trump ein Problem. Doch dieser Präsident belässt es nicht bei Ermahnungen der Kanzlerin auf einem der G7 oder G20 Gipfel. Speziell die Gaspipeline Nordstream 2 widerspricht Trumps Anspruch der Energiedominanz. Er wird das nicht auf sich beruhen lassen. Militärisch ist Deutschland weiter auf die USA angewiesen, es gibt keine europäische Alternative. Das wird der US-Präsident nutzen.
Wie kann sich Europa sinnvoll gegen das Machtgebaren Trumps positionieren?
Heike Buchter: Wir stehen vor enormen Herausforderungen, vergleichbar dem Wiederaufbau nach dem zweiten Weltkrieg. Um im neuen Ölzeitalter zu bestehen, muss Deutschlands Energiewende gelingen. Davon sind wir leider sehr weit entfernt. Was es noch schwieriger macht: Wir müssen eine europäische Antwort finden, sowohl auf die Energiefrage, als auch auf die sicherheitspolitische Frage. Das wird nicht nur teuer, sondern gesellschaftlich sehr anstrengend. Wer glaubt, dass diese Probleme mit dem Ende von Donald Trumps Präsidentschaft einfach verschwinden – egal, ob er im Jahr 2021 oder 2024 oder im sehr unwahrscheinlichen Fall einer Amtsenthebung schon früher geht– der wird sich bitter enttäuscht sehen. Trump mag das Ölbeben in den USA verstärkt haben, er hat es aber nicht ausgelöst und kein Präsident nach ihm wird die Konsequenzen einfach rückgängig machen können.
Heike Buchter berichtet seit 2001 von der Wall Street. Heute ist sie Wirtschaftskorrespondentin für Die Zeit in New York. Sie war die Erste, die ihrer Redaktion 2008 die Finanzkrise vorhersagte. 2014 war sie mit ihrem Buch »Blackrock. Eine Weltmacht greift nach unserem Geld« wiederum die Erste, die den amerikanischen Vermögensverwalter konsequent ins Licht der Öffentlichkeit gerückt hat.
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