Frau Gulder, in Ihrem neuen Buch »Seelenruhig«, zeigen Sie: Selbstüberforderung ist ein Problem unserer Zeit. Wie kommt es, dass so viele Menschen ihre Seelenruhe verlieren?
Angelika Gulder: Viele Menschen laufen den größten Teil des Tages auf Autopilot. Sie funktionieren irgendwie, aber die Tage rasen an ihnen vorbei. Neben dem Job, wollen die Kinder gut versorgt sein, vielleicht brauchen auch die Eltern bereits Unterstützung oder es stellen sich erste gesundheitliche Probleme ein. Kaum jemand hat oder nimmt sich genug Zeit für sich. Viele haben den Kontakt mit sich selbst verloren.
Seelenruhe erwächst aber erst aus einem guten Kontakt mit sich selbst. Aus Achtsamkeit und innerer Klarheit. Seelenruhig wird, wer das Gefühl hat, auf dem richtigen Weg zu sein und das zu tun, was sein Innerstes sich für dieses Leben vorgenommen hat. Darum ist es so wichtig, die persönliche Berufung zu erkennen, seine Träume wahr zu machen und den eigenen Weg durchs Leben regelmäßig zu überprüfen.
Ihr Buch ist ein Erste-Hilfe-Koffer für stressige Zeiten. Was ist das wichtigste Instrument darin?
Angelika Gulder: Ein glückliches, seelenruhiges Leben ist nicht ein Leben frei von Belastungen, Spannungen oder Katastrophen.Ein glückliches Leben beinhaltet Licht und Schatten, Krisen und Wachstum. Es erfordert zu lernen, das Gute im Schlimmen zu sehen und auf das Auf und Ab des Lebens blicken zu können, ohne davon jedes Mal mitgerissen zu werden. Das wichtigste Instrument im Buch ist darum das Seelenruhig-Selbstcoaching. Darin sind vierzehn Fragen, die man sich in der jeder Situation stellen kann, um zu erkennen a) worum es bei der aktuellen Situation gerade wirklich geht, b) warum man sich so aufregt oder warum es einen so mitnimmt und c) was man tun kann, um die Situation zu verbessern.
Sie beraten Menschen, die mitten im Leben stehen und eine Menge hinkriegen. Nehmen die häufig ihre Aufgaben ernst, aber zu selten sich selbst?
Angelika Gulder: Noch immer opfern sich viele Menschen – und vor allem Frauen – für andere auf und denken zuletzt an sich selbst. Dabei ist »Egoismus« an sich nichts Schlimmes, auch wenn es bei vielen Menschen negativ besetzt ist. Es heißt ja nur, sein eigenes Wohlergehen an die erste Stelle zu setzen. Das führt zu großer persönlicher Kraft, die man im Idealfall dann nutzen kann, damit es auch anderen besser geht. Es ist wie im Flugzeug, wenn die Sauerstoffmasken fallen: Erst sich selbst die Maske aufsetzen, dann den anderen, die es nicht selber können.
Verraten Sie uns eine der Inspirationen aus Ihrem Buch – einen ganz praktischen Tipp auf dem Weg zu mehr Seelenruhe?
Angelika Gulder: Ein ganz praktischer Tipp ist, seine Löffelliste zu schreiben. Darauf kommen all die Dinge, die man unbedingt noch tun oder haben möchte, bevor man stirbt, also »den Löffel abgibt«.
Da können auch kleinere Sachen draufstehen, aber auch größere, falls es noch den einen großen Traum gibt, den man unbedingt verwirklichen will, damit das Leben sich gelohnt hat. Zum Beispiel den eigenen Laden eröffnen, eine Weltreise machen oder im Hospiz arbeiten. Die Löffelliste kann man schreiben, indem man spontan alles notiert, was einem einfällt, oder man kann sie systematisch für jeden Lebensbereich, also für Job, Familie, Wohnort, Reiseziele, Engagement, Abenteuer, persönliche Entwicklung und so weiter machen. So hat man alles im Blick, was einem im Leben (noch) wichtig ist, wo man hin will, und kann jeden einzelnen Tag darauf abstimmen. Das erhöht das Gefühl der Selbstbestimmtheit und Selbstwirksamkeit und damit die eigene Seelenruhe.
Zur Autorin:
Angelika Gulder ist Psychologin, Coach und Deutschlands erste Berufungsfinderin. Sie bietet auf der Engelsfarm in Engelschoff bei Hamburg Coaching und Coachingausbildungen für Menschen, die ihre Berufung leben oder andere dabei unterstützen wollen.
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