Mit Ihrem neuen Buch »Armut ist Diebstahl« dringen Sie in eine Tabuzone ein. Was treibt Sie dazu?
René Zeyer: Tiefe Besorgnis. Wie ich mit unwiderlegbaren Zahlen begründe, ist die aktuelle Armutsbekämpfung – Umverteilung allgemein – nicht nur zwecklos, sondern lässt bereits hochverschuldete Staaten völlig verlumpen. Damit bürden wir den kommenden Generationen verantwortungslos Schulden auf, die nie zurückbezahlt werden können. Aber niemand traut sich, in diese Tabuzone einzudringen. Dabei ist es das Gebot der Stunde, weil hier Multimilliarden sinnlos verpulvert werden.
Die Nebenwirkung der Armutsbekämpfung ist aus Ihrer Sicht ein Anstieg der Armut. Ist das nicht paradox?
René Zeyer: Das ist nicht meine Sicht, das ist so, wenn man den offiziellen Armutsstatistiken vertrauen kann. Bereits 1786 erkannte einer der ersten Armutsforscher das Paradox, »dass Armut und Not im selben Maß zunehmen wie die Anstrengungen, den Armen großzügige Unterstützung zu gewähren.« Daran hat sich bis heute nichts geändert. Außer, dass die Verpflichtung, Armen zu helfen, absolut geworden ist, deren Pflichten aber hinter einer Wand von falsch verstandenen Menschenrechten verschwunden sind. Weil keine rationale Diskussion möglich ist.
Einer Ihrer Lösungsvorschläge lautet, die Armen nicht mehr zu unterstützen. Hat das Prinzip »fördern und fordern« ausgedient?
René Zeyer: Es funktioniert offensichtlich nicht, sonst würde ja die Zahl der Armen beispielsweise in Deutschland nicht ständig steigen, würden nicht immer wieder neue »Armutslücken« entdeckt werden. Es muss durch »befehlen und bestrafen« ersetzt werden; wer gibt, hat Rechte, wer empfängt, hat Pflichten. Nur so kann man verhindern, dass eine ganze Gesellschaftsschicht ihr Leben mit »Hartzen« verbringt, laut Duden Synonym für »sich zu keiner Tätigkeit überwinden können«.
Ihre provokante Streitschrift bietet reichlich Diskussionsstoff. Wann wäre das Buch aus Ihrer Sicht erfolgreich?
René Zeyer: Wenn endlich eine Diskussion über falsche und nutzlose Armutsbekämpfung in Gang käme. Wenn endlich die Deutungshoheit der Hilfsverwaltungsindustrie – sie ist perverserweise der größte Arbeitgeber Deutschlands – gebrochen würde. Ihr gelingt es, jede fundamentale und nötige Kritik mit pseudomoralischen Totschlagargumenten abzuwürgen. Dabei perpetuiert sie das Elend der Armen, indem sie es aus Eigeninteresse bloss verwaltet. Auf Kosten von uns allen.
»Armut ist Diebstahl. Warum die Armen uns ruinieren« von René Zeyer erscheint im Oktober 2013 im Campus Verlag.
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