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Karriere

»Es ist wichtig, sich vor falschen Ratschlägen zu schützen.« Daniel Rettig

Daniel Rettig erklärt, warum Perfektion sinnlos und an jedem Gerücht etwas dran ist. Sein Buch versammelt 77 schonungslose Jobwahrheiten, so amüsant wie lehrreich.

Authentizität wird überbewertet, Gründer sind miese Manager, im Home-Office macht man keine Karriere … Sie haben in Ihrem Buch 77 schonungslose Jobwahrheiten zusammengetragen. Wie kamen Sie auf diese Idee?

Daniel Rettig: Ich lese regelmäßig das Blog »Barking up the wrong tree«, in dem der Amerikaner Eric Barker interessante Erkenntnisse aus der Sozialpsychologie aufbereitet. Im Juni 2018 stieß ich dort auf den Text mit dem Titel »4 Harsh Truths That Will Make You A Better Person«, also: »Vier bittere Wahrheiten, die Sie zu einem besseren Menschen machen«. Und da dachte ich sofort: Das könnte man doch bestimmt auch auf die Arbeitswelt beziehen. So begann die Recherche.

 

Aus welchen Quellen werden Ihre Erkenntnisse gespeist?

Daniel Rettig: Tatsächlich basieren alle 77 Wahrheiten auf wissenschaftlichen Experimenten und Studien, die in verschiedenen renommierten Journals veröffentlicht wurden. Und das ist mir auch sehr wichtig: Ich habe mir die Erkenntnisse nicht selbst zusammengereimt, sondern präsentiere im Grunde nur den Stand der Forschung – aber so aufbereitet, dass es hoffentlich jeder versteht.

 

Geht man gängigen Klischees viel zu oft auf den Leim und schadet sich damit selbst?

Daniel Rettig: Ganz bestimmt! Es kursieren derzeit so einige vermeintliche Jobweisheiten, die sich beim näheren Hinsehen mindestens als zweifelhaft, manchmal sogar als gefährlich erweisen.

 

Welche denn?

Daniel Rettig: Am schlimmsten finde ich das vom Silicon Valley verbreitete Mantra, dass wir alle unseren Job unbedingt lieben und unsere berufliche Leidenschaft finden müssen – und dass wir nur dann wirklich glücklich sein können. Was für ein Quatsch.

 

Ist es besser, seinen Job nicht zu mögen?

Daniel Rettig: Natürlich nicht. Ich sage keinesfalls: Hasst euren Job und geht schlecht gelaunt ins Büro. Aber die Vorstellung, dass wir nur dann wirklich glücklich sein werden, wenn unser Job uns seelisch erfüllt und wir ihn lieben – diese Vorstellung ist einfach nur falsch und gefährlich.

 

Warum?

Daniel Rettig: Ich finde das Wort Liebe im Zusammenhang mit dem Beruf heikel. Ist es besser, seinen Job mögen als ihn zu verachten? Na klar! Muss man ihn dafür lieben? Um Himmels willen! Lieben sollte man seinen Partner oder seine Partnerin, seine Kinder, vielleicht auch ein Stück weit sich selbst – aber doch bitte nicht seinen Job. Außerdem: Nur weil man etwas gerne tut, ist man noch lange nicht gut darin.

 

Welche Jobwahrheit hat Sie selbst am meisten verblüfft?

Daniel Rettig: Dass Aufgeben manchmal besser ist als Weitermachen.

 

Plädieren Sie für Faulheit?

Daniel Rettig: Nein. Natürlich ist gegen Ausdauer erstmal nichts einzuwenden. Wer etwas gut können will, muss es üben. Aber nur weil man mit dem Kopf durch die Wand will, gibt der Beton nicht nach. Psychologen sprechen hierbei von »goal disengagement«. Studien zeigen: Wer sich von unrealistischen Zielen löst, ist entspannter, schläft besser und hat bessere Laune. Aufgeben ist nicht immer ein Zeichen der Schwäche, sondern manchmal auch ein Signal der Stärke.

 

Was möchten Sie Ihren Lesern unbedingt für den Alltag im Büro mitgeben?

Daniel Rettig: Vor allem zwei Dinge. Erstens sollten Sie vermeintliche Erfolgsgeheimnisse von Prominenten, Karriereexperten oder Coachesnicht allzu ernst nehmen. Gewisse Muster lassen sich nicht so einfach übertragen, nichts garantiert den Erfolg. Zweitens ist die Hoffnung, dass man von erstrebenswerten Eigenschaften gar nicht genug haben kann, ein großes Missverständnis. Studien zeigen zum Beispiel: Charisma ist nur bis zu einem gewissen Punkt gut, genauso ist es mit Durchsetzungsstärke oder Gewissenhaftigkeit. Der Grat zwischen Erfolg und Scheitern ist äußerst schmal – auch weil dieselben Eigenschaften, die den Höhenflug ermöglichen, mitunter den Absturz einläuten. Umso wichtiger ist es, sich vor falschen Ratschlägen zu schützen – und dafür gibt es mein Buch.

 

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Daniel Rettig ist Redaktionsleiter der digitalen Bildungsplattform ada. Zuvor leitete er bei der Wirtschaftswoche das Ressort Erfolg. Er hat bereits einige erfolgreiche Bücher veröffentlicht.

02.09.2019

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Warum Perfektion sinnlos und an jedem Gerücht was dran ist
Warum Perfektion sinnlos und an jedem Gerücht was dran ist
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