Sie beschäftigen sich seit vielen Jahren mit dem Thema Führung und haben zahlreiche Bestseller zum Thema geschrieben. Jetzt ist die Quintessenz in ihrem neuen Buch »Führung« versammelt. Was ist das Salz in der Suppe beim Thema Führung?
Reinhard K. Sprenger:Um etwas Substanzielles zum Thema Führen zu sagen, muss man mindestens zwei Aspekte unterscheiden. Zum einen, dass Führen und Managen unterschiedliche Schwerpunkte haben: Führen will Zukunft gestalten, Managen optimiert Gegenwart. Zum anderen ist Führen nicht personenzentrisch zu denken, sondern relational. Es kommt nicht vorrangig darauf an, welche Eigenschaft eine Führungskraft hat, sondern welche Wirkung sie im Unternehmen entfaltet.
Sie und Ihre Bücher haben vielen Führungskräften in den letzten Jahrzehnten Orientierung gegeben. Die (Berufs-)Welt hat sich seit ihrem ersten Buch stark verändert. Hat sich Ihr Blick auf das Thema Führung ebenfalls stark verändert oder bleiben die Prinzipien auch in einer disruptiven Umgebung gleich?
Reinhard K. Sprenger:Die Dilemmata und Mehrdeutigkeiten, in denen Führung eingespannt ist, haben sich nicht wesentlich verändert. Nur die Gegenstände und die Beschreibungssprache ist ständigem Wandel unterworfen. Vielleicht kann man noch sagen, dass wirksame Führung heute mehr an Anerkennung gebunden ist, nicht an Hierarchie. Wer verantwortet, entscheidet; wer entscheidet, verantwortet.
Wie stark hat gute Führung mit einer klaren Vision von der Zukunft zu tun?
Reinhard K. Sprenger:So etwas wie eine klare Vision von der Zukunft gibt es nicht mehr. Die Welt ist unberechenbarer geworden; wir lernen mehr denn je, die Unvorhersehbarkeit des Lebens zu akzeptieren. In den Unternehmen müssen wir uns deshalb auf Stabilitätsprobleme und Anpassungsnotwendigkeiten vorbereiten. Nicht zuletzt die Corona-Krise gab uns darauf einen Vorgeschmack. Es geht zukünftig wohl eher um Erhaltung statt um Entfaltung. Aus der Zukunft führen, das heißt heute: sich resilient aufstellen.
Im zweiten Kapitel ihres Buches geht es um das Anführen und warum Vertrauen die Grundlage ist. Läuft dieses Vertrauen in beide Richtungen – also von Mitarbeiter:in zu Führungskraft und vice versa?
Reinhard K. Sprenger: Vertrauen ist ein wechselwirksames Phänomen. Keine Führung kann erfolgreich sein, wenn ihr Menschen nicht zustimmen. Und kein Mitarbeiter kann seine Kompetenz entfalten, wenn ihm Führung eigene Fähigkeiten der Problemlösung nicht zutraut. Wenn ich also als Führungskraft Vertrauen schenke, ich die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zurückflutet. Diese Wechselwirksamkeit muss kulminieren in der Frage: Welche Probleme unseres Kunden können wir gemeinsam lösen?
Sie sind ein großer Individualist und lieben die Freiheit. Was ist für Sie ein guter Team-Spirit?
Reinhard K. Sprenger:Zusammenarbeit braucht notwendig ein Problem, das zu bewältigen einem Einzelnen nicht möglich ist. Im Idealfall spürt dann jedes Team-Mitglied, dass es gebraucht wird, dass es einen Unterschied macht, dass es nicht einfach ersetzbar ist. Unter diesen Bedingungen sind Menschen in der Regel bereit, freiwillig auf Freiheit zu verzichten. Das Erleben des Aufeinander-angewiesen-Seins ist dann lustvoll.
Führungskraft hat auch etwas damit zu tun, die eigene Kraft zu kennen und zu „nähren“: Was machen Sie, um in der Kraft zu bleiben und Ihre mentale Stärke zu bewahren?
Reinhard K. Sprenger: Ich suche Kontraste. Bei Menschen, auf Reisen, in Büchern, in der Musik. Alles Glück auf Erden besteht darin, Unterschiede zu sehen. Ein Königreich für eine frische Erfahrung!
Welche Bücher müssen in den nächsten Jahren unbedingt geschrieben werden?
Reinhard K. Sprenger: Nur noch ein Buch: Ein Ratgeber, wie man in den verschiedenen Hotelbädern dieser Welt die Dusche anmacht.
Herzlichen Dank für dieses Gespräch!