Sie erzählen in Ihrem Buch die Geschichte der Familie Quandt. Von der Einwanderung nach Brandenburg bis in die Gegenwart. Welches ist für Sie persönlich der spannendste Abschnitt der Geschichte?
Rüdiger Jungbluth: Die jüngste Geschichte ist für mich der interessanteste Teil, denn in ihr war auch für mich vieles neu und überraschend. Das Ausmaß, in dem Susanne Klatten und Stefan Quandt, das Imperium der Familie in den vergangenen zehn Jahren umgestaltet und vergrößert haben, war mir vor meinen Recherchen nicht klar. Auch die persönliche Entwicklung der beiden finde ich faszinierend. Für Leser, die zum ersten Mal die Geschichte dieser Wirtschaftsdynastie kennenlernen, wird vermutlich auch deren vielfältige Verstrickung in das NS-Regime und die teilweise dramatischen Auseinandersetzungen innerhalb der Familie in den Nachkriegsjahrzehnten aufschlussreich und spannend sein.
Im Zentrum des Buches »Die Quandts« steht nun die vierte Generation mit Susanne Klatten und Stefan Quandt als markanteste Persönlichkeiten. Klatten und Quandt pflegen einen sehr reduzierten Umgang mit der Presse. Ihnen haben Sie einen sehr exklusiven Einblick in ihr Leben und Arbeiten gewährt. Wie haben Sie das Eis gebrochen?
Rüdiger Jungbluth: Ich habe beide in meinen Gesprächen als unerwartet offen und zugleich als absolut unprätentiös erlebt. Für Susanne Klatten und Stefan Quandt hat die Tradition der Familie eine hohe Bedeutung, sie sehen sich eingebettet in eine Generationenabfolge. Ich glaube, dass sie daher meine Arbeit mit einer gewissen Sympathie sehen, obwohl sie eigentlich viel Wert auf Diskretion legen. Hinzu kommt, dass die Familie mich nun schon länger kennt. Die ersten Interviews habe ich bereits 2002 mit Frau Klatten und Herrn Quandt geführt. Sie haben mein erstes Buch gelesen und empfanden die Darstellung offenbar nicht als verzerrt oder unfair. Sie wissen außerdem von mir, dass mich ihr unternehmerisches Wirken mehr interessiert als ihr Privatleben.
Klatten und Quandt haben nicht nur ein Imperium geerbt, sondern ihr Erbe auch um ein Vielfaches vergrößert. Was können gerade Unternehmer vom Wirken und Schaffen der Quandt-Geschwister lernen?
Rüdiger Jungbluth: Das ist schwierig zu beantworten, denn es war bei den Quandts sicher auch Glück dabei. Und an dem großen Erfolg haben zahlreiche Manager und Mitarbeiter mitgewirkt. Die Quandt-Geschwister sind beide sehr ernsthaft als Unternehmer bei der Sache und kümmern sich intensiv um ihre Firmenbeteiligungen. Sie sind langfristig denkende Aktionäre und Investoren, davon hat BMW besonders profitiert. Aber sind sie auch immer bereit, sich von Beteiligungen zu trennen wie zum Beispiel im Fall der Pharmafirma Altana. Was auffällt, ist, dass die Familie Quandt über Generationen hinweg ein besonderes Gespür bei der Auswahl ihres Führungspersonals bewiesen hat. Sie wählen ihre Manager sorgfältig aus und lassen ihnen dann vergleichsweise große Freiheit.
Am 3. August 2015 starb Johanna Quandt. Den Großteil ihrer Aktien hat sie – von der Öffentlichkeit unbemerkt – schon vor einigen Jahren auf die beiden Kinder übertragen. Ein Aktienpaket, das im Frühjahr 2015 einen Wert von 11,5 Milliarden Euro hatte. Ein erstaunliches Manöver. Aber verstießen die Quandts damit nicht gegen die Meldepflicht des Gesetzes über den Wertpapierhandel?
Rüdiger Jungbluth: Nein, denn die alte Dame hatte ihre Aktien zwar auf die Kinder übertragen, aber die Stimmrechte bis zu ihrem Tod behalten.
Das Erbe ist auf die nächste Generation übertragen. Was sind die Zukunftsthemen der Quandts?
Rüdiger Jungbluth: Bei BMW geht es in erster Linie darum, dass Automobil in das digitale Zeitalter zu überführen. Da hat es das Unternehmen mit ganz neuen Wettbewerbern zu tun wie Google und Apple. Außerdem muss BMW noch beweisen, dass es mit seinen Elektroautos erfolgreich sein kann. Susanne Klatten hat in den vergangenen Jahren bei ihren Investitionen einen neuen Schwerpunkt gesetzt und sich an einer Vielzahl von Ökofirmen beteiligt, von der Windkraft über die Wasseraufbereitung bis zum Altölrecycling. Stefan Quandt profiliert sich unter anderem als Solarunternehmer und er ist neuerdings auch in das Geschäft mit häuslichen Energiespeichern eingestiegen. Beide bauen ihr philanthropisches und mäzenatisches Engagement aus. Frau Klatten hat außerdem, wie sie mir sagte, damit begonnen, ihre drei Kinder, die inzwischen junge Erwachsene sind, behutsam an das Erbe und die damit verbundene Aufgabe heranzuführen.
Zum Autor
Rüdiger Jungbluth studierte Volkswirtschaft und absolvierte die Journalistenschule in Köln. Er arbeitete als Wirtschaftskorrespondent bei Stern und Spiegel und viele Jahre als Wirtschaftsredakteur bei der Zeit. Jungbluth hat verschiedene hoch angesehene Wirtschaftsbiografien veröffentlicht, im Jahr 2002 eine erste aufsehenerregende Biografie über die Quandts, auf deren Recherchen sein neues Buch über die junge Generation aufbaut. Er lebt heute als freier Autor in Hamburg.
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