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Leben

»Glück ist eine Über­windungs­prämie«

Hermann Scherer im Interview zu seinem Buch »Schatzfinder«

© Anja Wechsler

In Ihrem Buch »Schatzfinder«zeigen Sie, wie man seine persönlichen Grenzen sprengt. Warum treibt Sie diese Frage so um?  
Hermann Scherer: In Gesprächen und Begegnungen erfahre ich immer wieder, dass Menschen weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben. Auf einer Skala von null bis zehn des Erreichbaren kommen viele nur auf eine Drei. Wie könnte unser Zusammenleben, unsere Welt aussehen, wenn dieser Wert beispielsweise bei acht läge? Diesem Gedanken folgend, war auch »Es gibt ein Leben vor dem Tod« als möglicher Buchtitel in der engeren Auswahl.

Ist es nicht unglaublich anstrengend, immer besser sein zu müssen? Sind nicht viele Menschen schon genug damit gefordert, ein Leben im Mittelmaß zu gestalten?
Hermann Scherer: Ja, natürlich ist das anstrengend. Aber wenn man jenseits vom Mittelmaß ein erfülltes Leben leben möchte, lohnt sich doch jede Anstrengung. Ist es nicht eine schlimme Vorstellung, sich für ein mittelmäßiges Leben anzustrengen? Lieber gebe ich noch etwas mehr, gehe vielleicht an meine Grenzen und darüber hinaus. Dafür stehe ich aber in der Pole Position. Ein Beispiel aus meinem Berufsleben: Für eine Veranstaltung habe ich Bill Clinton als Redner gewinnen können. Das war ziemlich aufwendig und anstrengend, aber es hat sich gelohnt. Natürlich hätte ich es einfacher gehabt, mich »nur« um einen Kommunalpolitiker als Redner zu bemühen. Aber der Spaßfaktor mit einem Bill Clinton war am Ende ungleich höher.

Dem deutschen Schulsystem geben Sie schlechte Noten. Warum?
Hermann Scherer: Unser Schulsystem hält die Schüler an, am meisten Zeit in die Fächer zu investieren, in denen sie schlechte Noten haben. Das geht aber auf Kosten der Zeit, die sie nutzen könnten, um ihre Stärken weiter auszubilden. Damit kommen sie am Ende in allen Ebenen nur auf ein mittelmäßiges Niveau. Doch der Durchschnitt bringt keine wissenschaftlichen Spitzenleistungen, die wir so nötig hätten. Ich möchte in diesem Zusammenhang betonen, dass es mir nicht um Elitenbildung geht, sondern darum, eben auch mal komplett anders sein zu dürfen, ohne sofort durch alle Bildungsraster zu fallen.

Wie haben Sie selbst die Schulzeit erlebt?
Hermann Scherer: Als desaströs!

Sie definieren Glück als »gute Deals machen«. Was meinen Sie damit?
Hermann Scherer: Mit allem, was wir tun, tauschen wir. Alles ist ein Deal. Die Grundwährung, die wir geschenkt bekommen haben, ist Zeit. Wir tauschen Zeit gegen Vergnügen, Zeit gegen Nahrung, Zeit gegen Liebe, Zeit gegen Wissen. Geld ist nur eine Art Zwischenspeicher. Wer bessere Tauschgeschäfte machen kann als andere, tauscht sich ein erfüllteres Leben zurecht. Viele Menschen tauschen allerdings erbärmlich schlecht. Ich denke, das liegt auch daran, dass sich die meisten nicht im Klaren darüber sind, dass sie jede Sekunde nur einmal tauschen können. Tauscht man sie beispielsweise gegen Fernsehglotzen, ist sie genauso weg, wie wenn ich mit meinem Kind spiele oder ein Buch lese.

Sie plädieren für mehr Rücksichtslosigkeit Regeln und Umständen gegenüber. Ist es denn im Zusammenleben nicht wichtig, sich an diese Dinge zu halten?

Hermann Scherer: Viele Menschen folgen Regeln, die für sie persönlich gar keinen Sinn machen. Sie stellen diese Regeln aber nicht infrage, sondern machen einfach immer so weiter wie bisher. Nur ein Regelbruch kann eine Änderung bewirken und gewährleisten, dass wir uns weiterentwickeln und unsere Chancen wahrnehmen. Bei den Umständen liegt die Sachlage ähnlich. Oft höre ich die Aussage, dass dieses oder jenes nicht zu ändern wäre, weil es die Umstände einfach nicht zuließen. Wir nutzen die Umstände als Ausrede oder passen uns ihnen einfach an. Wenn ich auf Hindernisse stoße, muss die Frage deshalb lauten: Lasse ich mich von einem Ding, einem Umstand zum Objekt machen oder nehme ich die Dinge in die Hand? Mit meinem Buch »Schatzfinder« zeige ich auf, wie man selbstbestimmter lebt und Grenzen überwinden kann.

Eines der Kapitel behandelt das Scheitern, den Zusammenbruch. Wie passt das zum Leben meiner Träume?
HS:
Das passt sehr gut. Zusammenbrüche sind oft die einzige Chance, wirklich etwas in unserem Leben zu ändern. Das habe ich zigfach selbst und auch bei anderen erlebt. Erst wenn der Leidensdruck groß genug ist, wir am Boden liegen, sind wir schonungslos ehrlich zu uns selbst und innerlich frei. Wir haben dann die Chance, uns neu zu orientieren und in der Folge neue Versionen für unser Leben zu entwerfen. Ich bin grundsätzlich davon überzeugt, dass wir das menschliche Scheitern neu bewerten müssen. Glück ist in diesem Sinne eine Überwindungsprämie.

Einer Ihrer Tipps heißt: Blamiere dich täglich! Handeln Sie selbst danach?
Hermann Scherer:Täglich schaffe ich es nicht, aber dafür manchmal mehrmals an einem Tag. Ich versuche immer wieder, meine Routinen zu durchbrechen und aufs Ganze zu gehen. Alles zu riskieren birgt immer die Gefahr der Lächerlichkeit. Doch auf der anderen Seite winkt der Durchbruch. Unser größter Gegner, der uns davon abhält, zu unserem Durchbruch zu kommen, sind die Selbstzweifel. Die meisten Visionen, Träume und Wünsche bleiben nicht deshalb unerfüllt, weil die äußeren Bedingungen schlecht waren, sondern weil wir uns selbst nicht mehr zugetraut haben, dass wir das Ziel erreichen.

Viele Ihrer Beispiele und Gedankengänge bieten dem Leser auch eine große Leichtigkeit. Gestalten wir uns selbst das Leben oft zu kompliziert?
Hermann Scherer:Auf jeden Fall. Viele Menschen verharren zum Beispiel unglücklich auf ihrer Arbeitsstelle, weil sie so lange hin und her überlegen, bis sie unfähig sind, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Meiner Ansicht nach wird der Entscheidungsprozess einfach, wenn Sie sich vor Augen halten, dass es eigentlich nur zwei Sorten von Entscheidungen gibt: leichte und schwere. Leichte Entscheidungen trifft man sofort, denn die Vorteile überwiegen klar die Nachteile. Im Gegensatz dazu stehen die schweren Entscheidungen. Dafür überlegen wir sehr lange, weil beide Alternativen ähnlich wertige Vor- und Nachteile zu haben scheinen. Doch wenn die Summe der Pros und Contras des einen Jobs in etwa so hoch sind wie die Summe der Pros und Contras des anderen Jobs, dann ist es schlicht egal, welchen Sie nehmen. Wichtig für den persönlichen Erfolg ist nun, den eingeschlagenen Weg bedingungslos, leidenschaftlich und voller Energie zu gehen.

In einem Kapitel geht es ums Dienen und die Möglichkeit, darin seine Erfüllung zu finden. Sind Sie gläubig, Herr Scherer?
Hermann Scherer: Ja!

Der Untertitel zu »Schatzfinder« lautet: »Warum manche das Leben ihrer Träume suchen – und andere es längst leben«. Leben Sie das Leben Ihrer Träume?
Hermann Scherer: Ich versuche, meine Leser zu inspirieren. Das heißt aber nicht, dass ich selbst mühelos mit den beschriebenen Worten und Sätzen lebe. Auch für mich ist es oft schwer, mein Traumleben zu führen. Doch immer wieder gelingt es mir auch, Hindernisse und Selbstzweifel zu überwinden und meine eigenen Grenzen zu verschieben. Das kostet Kraft. Doch die Erfahrung lehrt mich, dass es sich lohnt, und diese Erkenntnis möchte ich weitergeben.

 

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18.09.2013