Hip-Hop ist die bedeutendste popkulturelle Strömung der letzten 50 Jahre. Ihr möchtet das Mindset, die Werte und die Kultur von Hip-Hop entschlüsseln und anwendbar machen. Wer kann den Hip-Hop-Code aus Eurer Sicht gut gebrauchen?
Tobias Kargoll: Wir wollen denen, die sich mit Hip-Hop-Kultur identifizieren – mit Rap, Streetwear, Sneaker Culture, Streetdance, Streetart, Graffiti –
zeigen, auf welchem Schatz sie sitzen.
Phillip Böndel: Das Buch ist auch für alle, die Hip-Hop-Kultur besser verstehen wollen und Inspiration suchen.
1990 gründete Jay-Z das Modelabel Rocawear. 2007 stieß er es für 200 Millionen US-Dollar wieder ab. Und das ist nur der Anfang seiner Erfolgsgeschichte. Kanye Wests Sneakermarke Yeezy, die von Adidas produziert, wird haben ihn zum Milliardär gemacht. Die Pizza von Capital Bra treibt hierzulande Millionen ans Kühlregal. Mit Hip-Hop wird gutes Geld verdient. Wer war der erste, der aus der Popkultur ein Geschäftsmodell machte?
Tobias Kargoll: Fab 5 Freddy würde ich nennen. Unternehmergeist war aber von Anfang an Teil der Hip-Hop-Kultur. Er war nötig! Hiphop entstand als Überwindung von Armut und rassistischen Strukturen durch Kreativität. Damals stiegen in Manhattan Diskoparties, während in der Bronx ausgebrannte, vom Besitzer »warmsanierte« Häuser standen (Anm. der Redaktion »in Brand gesetzte«). New York war pleite und wer Geld hatte, verließ die Bronx, Queens und Brooklyn. Doch manche Menschen sagten »wenn ich in Manhattan nicht in den Club komme, organisiere ich hier meine eigene Party«.
Phillip Böndel: »...und erfinde dabei eine eigene Musikrichtung, indem ich die besten Stellen der Schallplatten meiner Eltern minutenlang wiederhole«. Wozu andere beginnen, zu rappen und Dritte Breakdance erfinden.
Tobias Kargoll: Während wieder andere sagen, »ich werde wohl nie in einer Galerie ausgestellt werden, aber wenn ich Züge bemale, habe ich die größte Galerie der Welt«. Das ist der Spirit, der heute zu Streamingrekorden und millionenfach verkauften Tiefkühlpizzen führt. Wir finden ihn auch in den Geschichten von Aggro Berlin, Selfmade Records, in der des Designers Achraf von 6PM, bei Xatar und Banksy.
Phillip Böndel: Die Essenz ist die Fähigkeit, etwas aus dem Nichts zu erschaffen. Glaube an sich selbst zu haben, mit anderen zu kollaborieren und sich zu denken: Wenn es sonst keiner Macht, mache ich es selbst.
Mehr als 19 Millionen Menschen in Deutschland hören gern Rap-Musik. Es ist längst keine Nische mehr. Dennoch gibt es weiterhin eine Art »Berühungsangst« mit der Hip-Hop-Branche in Kontakt zu treten. Warum ist das so?
Tobias Kargoll: Das lässt stark nach. Wir merken das in unserem Beratungsunternehmen THE AMBITION, das Unternehmen wie Pernod-Ricard, die Basketballbundesliga, ein großes Mobilfunkunternehmen, einen Fußball-Bundesligisten und einen Sportartikelhersteller berät. Zum einen umfasst Hip-Hop mittlerweile drei Generationen und immer mehr Entscheider haben selbst Wurzeln in der Kultur. Zum anderen überzeugen die Zahlen. Hip-Hop in ist ein Wirtschaftsfaktor.
Phillip Böndel: Die Kultur ist für Unternehmen kein potentieller Wallfahrtsort. Markenverantwortliche erkennen, dass Hip-Hop-Kultur die Gesellschaft prägt. Deine Kunden leben in dieser Kultur - vier von zehn Deutschen! Wer die Lebensrealität der eigenen Kunden nicht versteht, versteht bald nicht mehr, wieso die Kunden immer weniger werden.
Wenn Hip-Hop für Ambition steht und bedeutet, aus dem Nichts etwas zu schaffen. Was ist die erste Lektion, die ein Unternehmer daraus lernen sollte?
Phillip Böndel: Spannend ist, wie all diese Menschen, von Jean-Michel Basquiat, über Jay-Z bis zu Virgil Abloh und RAF Camora diesen Spirit einsetzen, um ihren Weg zu gehen. Uns hat es gereizt, konkrete Kulturtechniken herauszuarbeiten und nicht nur einen Faktor zu benennen, sondern eine ganze Formel.
Wie kam der Hip-Hop aus der Bronx in die Charts und die internationalen Märkte – Zufall oder Geschäftssinn?
Phillip Böndel: Erfolg wurde auf viele Arten gefunden, deren Treiber immer die Ambition war, sich auszudrücken und etwas zu erreichen. Eine Hackermentalität, durch die man immer neue Lösungen findet.
Tobias Kargoll: Ökonomischer Erfolg ist dabei Selbstermächtigung. Er ist nicht alles worum es geht, aber ein Sieg im Kampf gegen Widrigkeiten. Deshalb ist man im Hip-Hop weniger neidisch, sondern feiert die, die es geschafft haben.
Muss man eine bestimmte Attitude haben, um die Ambition und die Ideen aus der Hip-Hop-Kultur zu nutzen?
Phillip Böndel: Natürlich ist im Hip-Hop nicht jeder gleich. Wir sprechen über Millionen von Menschen und einen Zeitraum von 50 Jahren. Aber es gibt eben Gemeinsamkeiten, die aus der gemeinsamen Kultur stammen. Die Geschichten, die wir in Erfolgsformel Hip-Hop gesammelt haben, vermitteln den Spirit, der Hip-Hop antreibt.
Welchen Song sollte man gehört haben?
Tobias Kargoll: Viele! Wir haben jedes Kapitel in Erfolgsformel Hip-Hop mit einem Rapzitat begonnen. Zum Launch unseres Unternehmens haben wir uns Hoodies designed, auf denen eine Line aus einem Song von Wale steht: »Ambition ist priceless – it's something that's in your veins – and I put that on my name«. Wir haben unser Unternehmen dann tatsächlich THE AMBITION genannt und diesen Geist zu unserem Leitbild erhoben.
Phillip Böndel ist Geschäftsführer der Kreativagentur BUTTER. Als einer der maßgeblichen Experten für die Businessaspekte der Hip-Hop-Kultur betreibt er gemeinsam mit Tobias Kargoll die erste auf Hip-Hop-Kultur spezialisierte Unternehmensberatung: The Ambition.
Sie möchten das Interview nutzen? Wenden Sie sich bitte an unsere Redakteurin Nina Schellhase (schellhase@campus.de)