Welche Frage(n) sollte man sich unbedingt stellen, bevor man einen Strategieprozess anstößt?
Christian Underwood: Insgesamt sind es zwölf Fragen, die sich jeder zu Beginn eines Strategieprozesses stellen sollte. Die drei wichtigsten sind aus unserer Sicht: Was wollen wir erreichen? Was wollen wir kommunizieren? Und wen binden wir in den Strategieprozess mit ein?
Jürgen Weigand: Wer es genau wissen will, findet die ausführliche Antwort in unserem Buch (lacht).
Viele Unternehmer:innen verfolgen das Ziel »Mehr Umsatz«. Wie wird aus dem Ziel eine Strategie?
CU: Es sind gar nicht unbedingt die Unternehmen selbst, die mehr Umsatz wollen. Vielmehr sind es einzelne Personen, oft in Führungspositionen, die dieses Ziel verfolgen. Da geht es dann um Macht. Was sie dabei übersehen: Mehr Umsatz bedeutet zwangsläufig mehr Kosten, aber eben nicht immer auch mehr Gewinn. Dabei sind überdurchschnittliche Gewinne notwendig, um am Markt langfristig zu überleben. Aber es zählt nicht der absolute Gewinn, denn der ist ohne Skalierung am Ressourceneinsatz überhaupt nicht aussagekräftig. Was wirklich für die Wettbewerbsfähigkeit zählt, sind überlegene Gewinne, das heißt eine gewinnorientierte Überlegenheit gegenüber der Konkurrenz.
JW: Ein höherer Umsatz kann durchaus auch ein strategisches Ziel sein, wenn es zum Beispiel darum geht, die eigene Marktposition auszubauen oder eine kosteneffiziente Unternehmensgröße zu erreichen. Die ersten zwei Fragen müssen daher immer lauten: Was genau will ich erreichen und warum will ich dieses Ziel erreichen? Und auf dieser Basis muss ich einen Plan entwickeln. Ich muss verstehen, wo das Unternehmen im Moment steht, wohin wir wollen und was wir dafür alles anpacken müssen, um am Ende am Ziel anzukommen.
Wie wichtig ist Kommunikation im Strategieprozess? Wie viel Erklärung braucht es von der Leitungsebene, um die Mitarbeiter:innen ins Boot zu holen.
JW: Kommunikation ist alles! Der gesamte Strategieprozess lebt vom Dialog. Das geht damit los, dass ich die Führungskräfte ins Boot holen und sie wirklich zu 100 Prozent überzeugen muss. Dafür braucht es Klarheit in der Kommunikation, das heißt ein gemeinsames Verständnis von Strategie und einen ernstzunehmenden offenen Austausch.
CU: Um es auf den Punkt zu bringen: Der gesamte Strategieprozess ist ein einziger Lern- und Formulierungsprozess mit Kommunikation als Schmiermittel.
Was ist der häufigste Fehler, den Sie in Ihrer Beratungspraxis erleben?
CU: Was wir immer wieder erleben ist, dass es entweder gar keine oder keine klare Strategie gibt. Oder fast noch schlimmer: dass es innerhalb eines Unternehmens sogar widersprüchliche Strategien gibt! Das ist leider oft in Großkonzernen der Fall, wo nicht selten eine Art „Silo-Denken“ vorherrscht. Jede Abteilung denkt dann nur an sich und ihr eigenes Standing, aber nicht daran, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Und das kostet natürlich unnötig viel Energie, Nerven und Zeit, da die Menschen gegen- statt miteinander arbeiten.
JW: Eine gut gemachte Strategie schont Ressourcen, und zwar nicht nur finanzielle, sondern auch menschliche. Frustration und Machtkämpfe vernichten hingegen solche Ressourcen. Und das kann kein Unternehmen und keine rational denkende Führungskraft ernsthaft wollen! Vielmehr sollte es darum gehen, mit der Lebenszeit eines jeden Mitarbeiters möglichst schonend umzugehen. Alles andere führt zu Stress, Frust und am Ende zu Fluktuation. Und die kann sich mittlerweile kein Unternehmen mehr erlauben, in keiner Branche!
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Autoren