Michael Lewis erzählt in seinem neuen Buch »Flash Boys. Revolte an der Wall Street« vom sagenhaften
Hochgeschwindigkeitshandel an der Börse. Setzt diese Art von Handel altbekannte Kräfteverhältnisse auf dem Finanzmarkt völlig außer Kraft?
Georg Meck: Ja, die Hochfrequenzhändler haben die Machtverhältnisse längst umgekehrt: Leidtragende sind nicht die gewöhnlichen Sparer und Kleinanleger - die sollten sich eh nicht einbilden, den Markt beziehungsweise die dort agierenden Profis schlagen zu können. Wer an Macht verloren hat, sind Großinvestoren, die sogenannten institutionellen Anleger: Die werden abgehängt von den Blitzhändlern, verlieren so an Gewinnmargen, das erklärt, warum aus diesem Lager der erbittertste Widerstand gegen die Flash Boys kommt.
Wenn es gut läuft, stecken die Flash-Trader einen großen Teil der Gewinne ein, und wenn es schlecht läuft, verschwinden sie wieder von der Bildfläche und die Banken (und deren Kunden) dürfen für die Verluste
geradestehen. Warum wurde diesem Wahnsinn nicht längst Einhalt geboten?
Im Rennen zwischen Regulierer und Akteure an den Börsen sind die Behörden meist langsamer. Und noch auf jede Maßnahme haben die Flash Boys ein Gegenmittel gefunden. Außerdem ist die Sache vertrackt: Wer ist ein guter, wer ein böser Händler? Schlecht zu entscheiden, da die Motivation der Börsenhändler im Dunkeln bleibt. Außerdem hat der Hochfrequenzhandel auch positive Seiten: Viel Handel macht den Markt liquider, geschmeidiger - das macht, zumindest in der Theorie, Aktien günstiger.
Lewis bringt ein Thema ans Licht, das bisher nur einer Fachöffentlichkeit ein Begriff war. Wird sein Enthüllungsbuch Bewegung auf Börsenparkett bringen?
Die Aufregung ist schon jetzt immens: Welches Börsenbuch hätte je solchen Rummel ausgelöst? Das amerikanische Justizministerium ermittelt, FBI und Börsenaufsicht sind ebenfalls unterwegs. Und wenn selbst Goldman Sachs, Investmentbank Nummer Eins auf der Welt, mehr Regulierung fordert, zeigt das die Brisanz des Themas: Michael Lewis hat einen Treffer gelandet.
Zu Georg Meck
Der Diplom-Volkswirt, ist stellvertretender Ressortleiter Wirtschaft sowie »Geld & Mehr« der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Für die dort geschriebenen Unternehmer- Porträts erhielt er im Jahr 2002 den Quandt-Medienpreis. 2012 veröffentlichte er »The Deutsche. Investmentbanker an der Macht« (Campus), das erste Buch über Anshu Jain als Chef der Deutschen Bank, entstanden nach vielen Gesprächen mit (aktiven wie ehemaligen) Vorständen und Aufsichtsräten des Konzerns.
Meck ist einer der wenigen, die mit allen Akteuren in der Deutschen Bank einzeln gesprochen haben, von Ackermann über Jain bis zu Fitschen und den neuen Aufsichtsräten.
Michael Lewis, Jahrgang 1960, ist Wirtschaftsjournalist und erfolgreicher Autor zahlreicher Sachbücher. Er hat Abschlüsse von der Princeton University und der London School of Economics. Seine Erfahrungen als Investmentbanker verarbeitete er 1989 in seinem ersten Buch »Liar’s Poker«, das sofort auf Platz 1 der Sachbuchbestsellerliste schoss. Zahlreiche weitere Bestseller folgten. Auch sein letztes Buch, »The Big Short«, stand monatelang auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times. Es erschien 2010 auf Deutsch im Campus Verlag.
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