Marketing ist ein Hebel für die grüne Transformation, sagen Sie. Was meinen Sie damit?
Johanna Gollnhofer: Wir haben das Wissen und auch die Technik um nachhaltigere Produkte anzubieten. Nur oftmals finden diese dann nicht den Weg in den Einkaufswagen der KonsumentInnen und nachhaltige Angebote sind oftmals noch ein Nischenangebot.
Hier kann das Marketing zu der grünen Transformation beitragen: Wir müssen den Menschen Lust auf nachhaltige Produkte machen, wir müssen sozusagen Nachhaltigkeit »sexy« machen, und die negativen Assoziationen zu nachhaltigen Produkten (zum Beispiel das Tofusteak kann ja gar nicht schmecken) loswerden. Und hier kann die Magie des Marketings wirken.
Es gibt viele Menschen, die grüne Transformation zwar theoretisch als wichtig erachten, sie aber in ihrem eigenen Leben vor allem als Einschränkung, Verzicht und Bevormundung begreifen. Wie kann Marketing hier helfen, diese Schere zwischen Theorie und Lebenspraxis zu schließen?
Johanna Gollnhofer: Das Marketing hat es schon immer verstanden, die breite Masse zu bewegen und für gewissen Produkte zu begeistern. Wir haben es auch geschafft rauchen mit Freiheit zu verbinden – ich denke hier nur an den Marlboro Man.
Hier kann eben auf viel Wissen aufgebaut werden: Ein guter erster Ansatzpunkt wäre schon mal in der Werbung für nachhaltige Alternativen auf Negativ-Bilder und Aussagen (»Wir haben nur eine Welt«) oder auf Appelle (»Lasst uns die Welt verändern.«) zu verzichten. Das begeistert die Menschen nicht. Und auch wenn wir mal ehrlich zu uns sind: Wer verändert sich schon gerne? Da kommt oftmals gleich eine Gegenreaktion auf und vorschreiben will man sich ja auch nichts lassen.
Was macht ein gutes Narrativ aus?
Johanna Gollnhofer: Nachhaltigkeit kommt je nach Kategorie erst an Platz 4 - 5 als Kaufkriterium. Die vorderen Plätze nehmen hier traditionell Preis, Qualität, Marke, Fit zum Lifestyle etc. ein. Daher sollten in einem guten »grünen« Narrative genau diese Kriterien eingebaut werden.
Der Begriff Nachhaltigkeit und die Apelle rutschen somit in den Hintergrund. Das heißt aber nicht, dass das Produkt nicht nachhaltig sein muss: Dieses muss nachhaltig sein und Greenwashing ist nicht angebracht. Nur in der Kommunikation punktet man eben bei den Menschen mit den anderen Kriterien mehr.
Wie überzeugt man die Entscheider, sich dem Thema grüne Transformation wirklich anzunehmen
Johanna Gollnhofer: Heutzutage sieht man viele Unternehmen, die ihre Nachhaltigkeitsziele wieder revidieren oder zurückschrauben. Oftmals wird hier als Grund die fehlende Nachfrage seitens der KonsumentInnen angeführt.
Wir zeigen eben einen Ansatz auf, die es auch für Unternehmen attraktiv macht nachhaltige Produkte anzubieten: Indem man das 60%-Potenzial erobert, das heißt die breite Masse, kann endlich mal mit nachhaltigen Angeboten Umsatz gemacht werden. Das wichtige hierbei ist jedoch zu verstehen, dass die 60% anders ticken als die Öko-Bubble: Sie sind etwa nicht bereit ein Preispremium zu zahlen. In unserem Buch bieten wir sieben konkrete Insights an – jeder von ihnen ist wissenschaftlich untermauert – wie sich die 60% von den Öko-Fans unterscheiden.
Für wen haben Sie ihr Buch vor allem geschrieben?
Johanna Gollnhofer: Für EntscheiderInnen und MacherInnen: Wir bieten konkrete Customer Insights und Aufgaben für für Unternehmen, NGOs und sämtliche Interessierte, wie wir grüne Angebote endlich aus der Nische in die breite Masse bringen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Prof. Dr. Johanna Gollnhofer ist Assoziierte Professorin für Marketing an der Universität St. Gallen. Forscht und lehrt an der Schnittstelle Marketing/Nachhaltigkeit. Auf LinkedIn gibt sie den Newsletter »Green Marketing« raus.
Co-Autor Jan Pechmann ist Unternehmensberater & Unternehmer, Gründer der Agenturen diffferent (bis 2021) sowie von BAM! Bock auf Morgen, das sich für nachhaltiges Marketing stark macht. Er ist Initiator des Marketing for Future Award.