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Wirtschaft und Gesellschaft

»Aus Mathematik heraus entsteht niemals Bewusstsein.« Ralf Otte

Ralf Otte hat ein Buch über KI geschrieben. In »Maschinenbewusstsein« macht er klar, was KI kann, können wird und worüber wir uns als Menschen dringend Gedanken machen sollten. Hier im Interview mit campus.de

Beim Thema KI (Künstliche Intelligenz) gibt es zahlreiche Missverständnisse und beängstigende Szenarien. Welche sind die häufigsten und vielleicht auch die »gefährlichsten«?

Ralf Otte: Es gibt tatsächlich sehr viele Missverständnisse, aber das ist bei einer so komplexen Materie auch zu erwarten. KI ist Hochleistungsmathematik, und diese ist leider nur wenigen Experten wirklich zugänglich. Dennoch reden und schreiben heutzutage zahlreiche Nichtfachleute über diese Thematik. Das ist eigentlich auch in Ordnung, denn beispielsweise Journalisten oder Philosophen bedienen sich zumeist einer viel schöneren Sprache als wir Techniker. Nur leider werden viele Aussagen zu KI dadurch auch falsch oder sogar grundfalsch dargestellt.

Nur ein Beispiel: Ein großes Missverständnis bezüglich der KI, dem selbst politische Eliten erliegen, ist die Angst vor der sogenannten Singularität, also der Erschaffung einer KI, die klüger werden könnte als wir Menschen und die dann eventuell entscheidet, die Menschheit auszulöschen. Aber so etwas (Unsinniges) ist völlig auszuschließen, das anzunehmen ist wissenschaftlich in keinster Weise gerechtfertigt. Aus Mathematik heraus entsteht niemals eine Persönlichkeit, entsteht niemals Bewusstsein. KI auf technischen Maschinen bekommt daher auch niemals einen Willen, und niemals wird eine solche KI den Hauch von Gefühlen besitzen. Sie kann uns also weder lieben noch hassen. Es ist ganz einfach: Eine mathematische Simulation von Angst erzeugt keine Angst, und der Ablauf von Gleichungssystemen zur Simulation von Liebe liebt einfach nicht. Doch Politiker diskutieren allen Ernstes über Persönlichkeitsrechte von KI-Maschinen. Und das ist höchstgefährlich, wie ich im Buch aufzeige.

 

Was genau müssen wir als Verbraucher bedenken und sollten wir entscheiden, wenn es um die Zukunft der KI geht?

Ralf Otte: Obwohl die KI nicht die Kontrolle über die Menschheit übernehmen kann, so können Menschen, die die KI besitzen, die Kontrolle über die Menschheit übernehmen oder diese Kontrolle massiv ausbauen. Von dort droht tatsächlich reale Gefahr. Die urmenschliche Sorge vor Übernahme einer »allmächtigen Macht« über ihr Leben wird in cleverer Art und Weise immer wieder auf die KI selbst gelenkt. Das ist jedoch falsch.

Verbraucher müssen wissen, dass die reale Gefahr für ihr soziales Leben von Organisationen ausgeht, die die KI zur maximalen Überwachung einsetzen (wollen) oder die sogar so »verrückt« sind, Menschen mit (ihren) KI-Systemen für immer zu verknüpfen. So etwas sind transhumanistische Ideen, und diese sind in der Lage, zukünftig eine völlig inhumane Gesellschaft zu formen. Man sollte das wissen, um zu erkennen, was man dagegen machen kann. Da wir Menschen klüger sind als jedwede KI (auch die der Zukunft!), gibt es nämlich immer Lösungen.

 

Was hat Sie gerade jetzt veranlasst, ein neues Buch zum Thema KI zu schreiben – befinden wir uns an einer technischen Schwelle?

Ralf Otte: Ja, das tun wir. Wir befinden uns aktuell in der sogenannten dritten Welle der KI. Diese KI kann selbstständig denken (schlussfolgern) und autonom lernen und ist teilweise sogar kreativ. Aber dies alles nur im Rahmen von den oben bereits genannten mathematischen Simulationen; alles basiert auf mathematischen Gleichungen, die auf Digitalcomputern ablaufen. Die neue KI, die der vierten Welle, steht jedoch schon in den Startlöchern und diese wird zusätzlich zu mathematischen Algorithmen auf ungewöhnlichen physikalischen Effekten beruhen. Wir Fachleute sprechen hier gerne auch von neuromorphen Computern.

 

Wen haben Sie als Leser für Ihr neues Buch im Blick? Was wünschen Sie sich von Ihren Lesern?

Ich wünsche mir Leser, die sich ihre Neugier behalten haben. Vielleicht sogar Leser, die bisher einen großen Bogen um die KI-Thematik gemacht haben.

Das Buch ist so gestaltet, dass jeder Interessierte 70 bis 80 Prozent des Inhaltes versteht, nur im Mittelteil wird es kurz mal richtig fachlich. Dort beschreibe ich in einer fachlichen Sprache (natürlich ohne Formeln) wie in Maschinen tatsächlich Bewusstseinsartefakte entstehen können. Dieser Mittelteil könnte auch Fachleute verschiedener Disziplinen interessieren.

 

Wir danken Ihnen herzlich für dieses Gespräch!

 

Wer dieses Interview für eine Zweitnutzung verwenden möchte, kann sich jederzeit an Nina Schellhase (schellhase@campus.de) wenden.

08.10.2021

Wirtschaft & Gesellschaft

Maschinenbewusstsein
Maschinenbewusstsein
Hardcover gebunden
27,95 € inkl. Mwst.