Was macht eine starke Marke aus?
Franz-Rudolf Esch: Starke Marken verfügen über eine klare Identität. Sie wissen, wer sie sind und wofür sie stehen. Sie haben eine klare Position im Markt. Kunden und andere Anspruchsgruppen haben von solchen Marken klare Vorstellungsbilder im Kopf und wissen, warum sie diese Marke gegenüber Wettbewerbern bevorzugen. BMW, Google, Amazon, Nivea, Apple, Beck‘s oder Allianz sind solche Marken. Sie verbinden mit solchen Marken automatisch klare Vorstellungen.
Solche Marken schaffen als Leuchtturm Orientierung im Meer der Angebote und bilden einen Vertrauensanker. Eine solche Position baut man nicht über Nacht auf. Das Versprechen, das eine Marke ihren Kunden gibt, muss immer und immer wieder unter Beweis gestellt werden. Die Marke muss an allen relevanten Kontaktpunkten mit Kunden, ob beim Produkt, in der Kommunikation, im Geschäft, im Internet etc. einen kohärenten und aufeinander abgestimmten Eindruck hinterlassen. Durch das ganzheitliche Erleben der Marke werden klare und präferenzprägende Markenbilder aufgebaut. Starke Marken werden zudem auch mit starken positiven Emotionen verknüpft. Es sind emotionale Speicher in Herz und Hirn der Kunden.
Woran erkennt man im Gegenteil eine Marke, die kein oder wenig »Rückgrat« hat?
Franz-Rudolf Esch: Marken ohne »Rückgrat« sind wie ein Fähnchen im Wind. Sie richten ihre Aussagen und das, wofür sie stehen, nach der jeweiligen Strömung. Sie haben keine feste Haltung und werden deshalb auch nicht als authentisch wahrgenommen. Sie wechseln ihre kommunikativen Botschaften wie Menschen ihre Unterwäsche. Was bei der Unterwäsche allerdings gut ist, ist bei der Kommunikation hingegen Ausdruck eines fehlenden Konzeptes und eines Wechselns, um des Wechseln willen oder weil man erfolglos eine Marke im Markt navigiert.
Entsprechend können Kunden nicht mit einem kurzen Satz mit maximal sieben +/- zwei Wörtern sagen, wofür die Marke steht. Entsprechend diffus ist das Bild von der Marke. Diese Marken wecken meist auch negative Emotionen. Solche Marken braucht kein Mensch. Wenn laut HAVAS 95 Prozent der Marken in Europa als überflüssig wahrgenommen werden, fallen sie in diese Kategorie. In den meisten Kategorien fallen den Menschen maximal drei bis sechs Marken ein. Das ist bezeichnend für den Rest der Marken. Sie sind gesichts- und konturlos und deshalb auch nicht merkfähig.
Würden Sie die Marke als Persönlichkeit des Unternehmens bezeichnen – oder geht das zu weit?
Franz-Rudolf Esch: Starke Marken verfügen ebenso über eine klare Identität wie ein Mensch. Insofern lassen sich Marken auch anhand von Persönlichkeitsmerkmalen beschreiben. Wenn es nun um Unternehmensmarken geht, so stehen diese allerdings für mehr als nur die Persönlichkeit. Vielmehr müssen Unternehmen die folgenden Fragen systematisch beantworten, um ihre Unternehmensmarke zum Glänzen zu bringen:
- Warum gibt es mich, was treibt mich an? Hier geht es um den Unternehmenszweck, die Mission.
- Wofür stehen wir ein? Hier sind drei bis fünf Unternehmensgrundsätze als verbindliche Verhaltensrichtlinien festzulegen.
- Wer bin ich? Hier ist die Markenidentität zu definieren, also die Hard Facts sowie die Soft Facts zur Marke.
- Warum sollen die Kunden mich kaufen? Hier ist die Markenpositionierung kurz und knapp festzuhalten.
- Welchen Zielhafen möchte ich in zehn bis 15 Jahren erreichen? Hier geht es um die Ableitung einer Vision des Unternehmens.
Sie haben 25 Jahre Erfahrung bei der Beratung in Markenfragen. Ihr Buch, so sagen Sie, ist dennoch kein Rezeptbuch. Was möchten Sie mit »Identität« erreichen?
Franz-Rudolf Esch: Für Rezeptbücher empfehle ich Kochbücher. Ein Filet Stroganoff lässt sich so nachkochen. Bei der Markenführung ist dies komplexer. Ich mag hier keine Rezeptbücher mit einfachen Lösungen, die den Herausforderungen im Markt nicht gerecht werden. Die Märkte unterscheiden sich, die Wettbewerber unterscheiden sich, die Kundenwünsche und -bedürfnisse unterscheiden sich und keine zwei Marken sind gleich.
Dennoch schälen sich Muster erfolgreicher Markenführung heraus, die man bei der Entwicklung und Stärkung von Marken beachten sollte – und dies frei von Moden und Strömungen, die tagtäglich auf die verantwortlichen Manager einprasseln.
Was ich mit meinem Buch erreichen möchte, sind folgende Punkte:
- Eine Marke ist mehr als nur ein schönes Logo.
- Eine Marke ist mehr als nur Kommunikation oder Qualität.
- Eine Marke ist ein zentraler immaterieller Wertschöpfer für Unternehmen.
- Investitionen in eine Marke sind so systematisch zu behandeln wie Investitionen in Fabrikanlagen.
- Ohne klare Identität gibt es keine starke Marke. Sie ist die Prämisse für den Aufbau klarer Vorstellungsbilder in den Köpfen der Anspruchsgruppen.
- Die Marke muss das ganze Unternehmen durchdringen und im Unternehmen gelebt werden.
- An der Identität der Marke sind alle wichtigen unternehmerischen Entscheidungen auszurichten.
- Der Markenaufbau erfolgt nicht von heute auf morgen. Er bedarf Konsequenz, Kontinuität, Disziplin und Willensstärke.
- Die Umsetzung entscheidet über den Erfolg: Entsprechend ist die Marke an allen Kontaktpunkten erlebbar zu machen.
Durch die Beantwortung dieser Fragen und deren konsequenter Umsetzung macht man aus einem gut funktionierenden Unternehmen eine begehrliche Unternehmensmarke, die positiv auf Kunden und Mitarbeiter ausstrahlt. Viele Hidden Champions, mittelständische und unternehmergeführte Unternehmen haben hier noch großen Bedarf. Sie bleiben mit Ihrer Marke weit hinter ihrer sonstigen Performance zurück. Wer gegen die Marke handelt, handelt gegen den Erfolg des Unternehmens.
Vom Strategieriesen zum Umsetzungszwerg. Warum bleiben so viele Unternehmen bei der Markenbildung auf halber Strecke stecken?
Franz-Rudolf Esch: Für viele Manager ist die Strategieentwicklung die Königsdisziplin. Schließlich stellt man hier die Weichen für die Zukunft. Grundsätzlich ist dem auch so. Hinzu kommt: Strategien entwickeln macht Spaß, Umsetzung ist harte Kärnerarbeit. Viele Manager werden befördert wegen toller Strategien, die dann oft andere umsetzen müssen. Allerdings entscheidet die Umsetzung über den Erfolg: Nur das, was Kunden sinnlich erleben können, leistet einen Beitrag zum Aufbau einer starken Marke.
Deshalb ist es notwendig, der Umsetzung in Unternehmen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Hier gibt es zwei Stoßrichtungen: 1. Die Verankerung der Marke im Unternehmen, damit Manager und Mitarbeiter diese bei ihrer täglichen Arbeit in Denken, Fühlen und Handeln übernehmen und selbst zu Markenbotschaftern werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Marke von externen Anspruchsgruppen kohärent empfunden werden kann. 2. Die integrierte Umsetzung der Marke nach außen gegenüber den Anspruchsgruppen, damit diese an jedem einzelnen Kontaktpunkt erlebbar wird.
Marken sind emotional: Wie erreicht man es als Unternehmer, dass diese Emotionalität nach außen sichtbar/spürbar wird?
Franz-Rudolf Esch: Emotionen und Gefühle entstehen im Auge des Betrachters, also der Kunden. Unternehmer geben durch Festlegung der Identität die Richtung vor, wie sie von Kunden wahrgenommen werden wollen. Will man als Versicherung als zuverlässiger und sicherer Partner wahrgenommen werden und solche Gefühle auslösen, leistet ein Versicherungsvertreter, der sich im Schadensfall kümmert und den Schaden schnell und sorgfältig reguliert und dabei dem Kunden zur Seite steht, einen Beitrag dazu. Dies wird dann genau so positiv verbucht und mit der Marke verknüpft, wie es umgekehrt negativ auf das Markenkonto einzahlen und andere Emotionen wecken würde, wenn ein Versicherungsvertreter zu spät zum Termin kommt, den Bedarf seines Kunden nicht richtig kennt und wenig über ihn weiß.
Die durch Markenarbeit aufgebauten Gefühle, die Kunden damit verbinden, müssen jeden Tag aufs Neue belegt und verstärkt werden – bei jedem Kontakt mit der Marke.
Zum Autor
Franz-Rudolf Esch ist laut der Zeitschrift Absatzwirtschaft der bekannteste lehrende Marketingforscher Deutschlands. Professor Esch lehrt an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Oestrich-Winkel und führt das Beratungsunternehmen ESCH. The Brand Consultants in Saarlouis und Köln.
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